BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti hält 1.-August-Ansprache
Am 1. August hielt BDP-Nationalrätin Rosmarie Quadranti eine Ansprache in Ellikon an der Thur ZH. Dabei erinnert sie an die Wichtigkeit der Schweizer Werte.
Das Wichtigste in Kürze
- BDP-Nationalrätin Quadranti hielt eine 1.-August-Ansprache in Ellikon an der Thur ZH.
- Für sie ist ein Politiker jemand, der sich für Verständigung, Öffnung und Hilfe einsetzt.
Es ist mir eine grosse Ehre, hier am 1. August, zum 728. Geburtstag der Schweiz, als Gastrednerin bei Euch sein zu dürfen. Und ich möchte mich ganz herzlich bei den Gesangsvereinen für die Einladung bedanken.
Das freut mich nicht nur als Nationalrätin sondern natürlich auch als Präsidentin des Schweizerischen Musikrates. Und nicht zuletzt verbindet mich mit Ellikon an der Thur ZH auch etwas: Ich durfte mit Ruedi Winkler – leider ja nur für eine kurze Zeit – gemeinsam im Nationalrat arbeiten.
Ich möchte Sie in meiner Ansprache an meinen Gedanken teilhaben lassen, so wie ich die Schweiz sehe seit Beginn bis heute. Haben Sie aber keine Angst, das ist keine endlose Aufzählung sondern nur ein kurzer Blick zurück.
Dann möchte ich Ihnen aufzeigen, wo ich die Herausforderungen sehe, was mich persönlich stört und manchmal auch heftig ärgert und was ich meine, dass die Schweiz für die Zukunft braucht.
Zuerst also der Blick auf den Anfang der Schweiz. Wir sind hier in Ellikon an unserem Nationalfeiertag. Ellikon ist bekanntlich nicht das Rütli, wo der Legende nach die drei Urkantone ihren Bund besiegelten und so den Grundstein zur heutigen Schweiz legten.
Doch Ellikon ist ja auch ein geschichtsträchtiger Ort. Diese Geschichte erzähle ich euch aber nicht. Diese Geschichte kennt ihr besser. Ich kenne die Geschichte Ellikons nur von der Homepage der Gemeinde.
Wenn ich mir aber vorstelle, wie man vor 728 Jahren hier lebte, hat das mit dem heutigen Ellikon, mit der heutigen Schweiz, mit unserem Wohlstand, unserer Mobilität, unserer weltweiten Vernetzung wenig zu tun. Armut, Not und oft auch Gewalt prägten damals das Leben der Leute, die meist als Bauern und Untertanen lebten.
Und wahrscheinlich wäre die Schweiz, wären wir – mit all unseren Eigenschaften – auch ärmer, wenn die Schweiz statt im Herzen von Europa irgendwo in Afrika läge.
Der Wohlstand der Schweiz
Klar scheint mir auch, dass der Wohlstand der Schweiz nicht naturgegeben ist. Noch im Mittelalter galt die Schweiz als arm. Wir exportierten damals vor allem Söldner. Bis in die 1880er Jahre war die Schweiz ein typisches Auswanderungsland.
Es wurde nicht wegen Kriegen oder Konflikten ausgewandert, sondern deshalb, weil es Armut gab und auch Hungersnöte. Die Schweizer, die auswanderten, waren also in der Regel Wirtschaftsflüchtlinge, auf der Suche nach einer besseren Welt.
Und deshalb finde ich es jeweils gefährlich, wenn man den Leuten versucht glauben zu machen, dass früher alles besser gewesen sei.
Menschen haben die Eigenschaft, zum Glück, vor allem gute Erinnerungen zu speichern oder aber – und das ist wohl weniger positiv – sich die Vergangenheit so auszulegen, dass sie zur eigenen Ideologie oder zur Parteiideologie passt.
In diesen 728 Jahren hat sich vieles verändert. Der Schweiz und seinen Menschen geht es im Vergleich zu anderen Ländern schon lange sehr gut. Denken wir zum Beispiel daran, dass im Mittelmeer im Jahr 2019 bis jetzt knapp 700 Menschen ertrunken sind, im Jahr 2018 waren es rund 2300 Menschen.
Menschen, die auch eine Zukunft haben wollten, Menschen, die lachten, liebten und weinten wie wir. Menschen, die für sich und ihre Kinder eine bessere Zukunft suchten. Tragisch diese hohen Zahlen. Vergleichen Sie diese Zahl mit der Einwohnerzahl von Ellikon.
Den Schweizern geht es gut
Uns geht es gut, oder eigentlich sehr gut. Das wissen wir im Grunde genommen genau, auch wenn uns in den letzten Jahren die Populisten von links und rechts etwas anderes eintrichtern wollen.
Warum es uns gut geht: Einen Grund habe ich genannt: Die Schweiz liegt nicht in Afrika, sondern mitten in Europa. Und als wir vom Aus- zum Einwanderungsland wurden, haben wir erkannt, dass es eine Offenheit gegenüber dem Ausland braucht.
Und wir hatten Fachkräfte importiert. Viele Einwanderer haben und bringen nach wie vor Wissen und unternehmerische Dynamik ins Land. Denken wir an den Deutschen Henri Nestlé oder den Libanesen Nicolas Hayek.
Wahrscheinlich begründet sich auch ein Teil unseres Wohlstandes darin, dass wir nicht einen stark ausgeprägten Zentralstaat haben, sondern der berühmte Kantönligeist gar nicht so schlecht ist.
Und ja, uns geht es auch deshalb gut, weil wir gemeinsame Werte haben. Es sind aber nicht Schweizer-Werte, das heisst, dass diese nur Menschen mit einem roten Pass und weissem Kreuz auszeichnen.
Nein es sind eben schweizerische Werte die vom allergrössten Teil der Menschen dieses Landes mit oder ohne Schweizer Pass und egal welcher Religion, getragen werden.
Leistungsbereitschaft, Respekt und Wille zur Integration
Wir wissen, dass wir unseren Wohlstand auch unseren gelebten Werten zu verdanken haben. Es sind dies nicht nur Pünktlichkeit oder Zuverlässigkeit. Es ist auch die Leistungsbereitschaft, der Respekt und der Wille zur Integration.
Denn als Land, welches auf so kleinem Raum vier Sprachen hat, haben wir gelernt, wie wichtig es ist, alle zu integrieren, also einzubeziehen. Wir haben gerade auch wegen der Sprachenvielfalt gelernt, dass man auch Minderheiten berücksichtigen muss.
Oder stellen Sie sich einmal vor, wie die Schweiz aussehen würde, wenn wir Deutschschweizer einfach auf Grund dessen, weil wir mehr sind als die anderen, alleinige Machtansprüche gestellt hätten.
728 Jahre Eidgenossenschaft und 171 Jahre moderner Bundesstaat haben uns viel gelehrt. Wir müssen zusammenarbeiten innerhalb des Landes und über unsere Grenzen hinaus.
Abschotten, den Menschen Angst vor Fremden und vor Fremdem machen, Lügen verbreiten über Problemursachen, das schadet uns.
Zusammenleben, einander respektieren, in der Vielfalt die Chance sehen, das ist Teil der Erfolgsgeschichte Schweiz, das hat unser Land stark gemacht.
Nicht schreien, also nicht den Teufel an die Wand malen. Das gehört nicht zur Erfolgsgeschichte.
Missbrauch von Minderheiten als Sündenböcke ist schädlich
Denn für die Schweiz höchst schädlich finde ich, dass immer lauter, immer respektloser Minderheiten als Sündenböcke für jegliche Probleme, auch solche die gar keine sind, missbraucht werden. Stichworte dazu: Flüchtlinge, Ausländer, Muslime.
Was wir weiterhin brauchen, ist doch der Mut zu Neuem, Geschick im Umgang mit anderen, Cleverness und Voraussicht. Und das Wissen, dass wir mit unseren Nachbarländern eine gute, geregelte Beziehung brauchen.
Ellikon macht es ja auch vor: Es wurden Legislaturziele definiert. Der Gemeinderat erhofft sich damit, dass die Menschen allenfalls zusätzliche Ideen einbringen.
Also gemeinsam gestalten, miteinander, zum Wohle möglichst vieler. Das ist das, was wir immer getan haben, das was uns stark gemacht hat.
Deshalb ist der Nationalfeiertag auch ein Tag der Dankbarkeit, des Innehaltens, der Besinnung und des Ausblicks.
Der Schweiz geht es gut, noch immer gut und wenn wir unsere Werte weiter hochhalten, weiterhin gut. Dahinter stehe ich.
Ich verkenne natürlich nicht, dass auch viele Mitmenschen drückende Alltagssorgen haben. Ich verkenne auch die politischen Herausforderungen nicht.
Die Sozialwerke müssen gesichert werden, der Klimawandel zwingt zum Handeln, wenn wir auch unseren Grosskindern, Urgrosskindern, noch eine lebenswerte Welt hinterlassen wollen. Wir müssen dafür schauen, dass Menschen über 50 ihre Arbeitsstelle behalten oder nach wie vor eine finden.
Es braucht Anstrengungen damit der Bildungs- und Forschungsstandort Schweiz das Niveau behalten kann. Wir brauchen geregelte Beziehungen mit der EU. Das Rahmenabkommen ist die gute Möglichkeit dazu.
Und wir haben einige Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Und wir müssen uns weiterhin solidarisch zeigen mit einer Welt, in der es noch nie so viele Kriege und noch nie so viele Menschen auf der Flucht gegeben hat.
Eines scheint mir aber auch klar. Die Sozialwerke werden nicht ohne Verzicht saniert, die Bändigung der hohen Gesundheitskosten wird Folgen haben, die Beziehung zu unseren Nachbarn wird nicht funktionieren, wenn wir weiterhin den Anspruch erheben, «dä Föifer und s‘Weggli» bekommen zu wollen.
Schweizer klagen auf hohem Niveau
Wir haben viele Herausforderungen, ja. Aber müssen wir uns nicht doch eingestehen, dass wir – wenn wir in diesem Land klagen – das auf einem hohen Niveau tun?
Deshalb sind wir uns über den Nationalfeiertag hinaus bewusst, welches Glück wir haben, dass wir hier auf diesem privilegierten Stück Erde leben dürfen.
Glück also in dieser so wunderbaren Schweiz ein zu Hause zu haben.
In einem Land mit einer spektakulären Schönheit, sie sehen es ja auch hier in Ellikon, jeden Tag. Wir haben eine sehr gute Infrastruktur – auch wenn es eine Herausforderung sein kann Wasserleitungen oder die Gemeindestrassen in Schuss zu halten. Wir verfügen über ein ausgezeichnetes Bildungs- und hervorragendes Gesundheitswesen.
Ausserdem haben wir eine geringe Teuerung, eine tiefe Arbeitslosigkeit, eine sehr gut funktionierende direkte Demokratie und eine politische Stabilität. Und ja sogar die in Bern setzen den Volkswillen um, auch wenn es einige gibt, die etwas anderes behaupten.
Und wenn ich gerade über uns, die da in «Bern obä» spreche, dann macht es mir Angst, wie oft wir in den letzten paar Jahren schlechte Vorbilder waren. Die Respektlosigkeit hat auch im Ratssaal zugenommen.
Das was man manchmal gesagt wird, hat mit der Wahrheit wenig, mit der Parteiideologie aber viel zu tun. Es gibt Flügel-Kämpfe, es wird leider zu oft schlechtgeredet, ideologisch argumentiert und Schwarz-Weiss-Malerei betrieben. Ein solcher politischer Stil bringt uns nicht voran. Weder in der Gemeinde, noch im Kanton und auch «nöd z'Bern obä».
Damit man Lösungen finden kann, muss man konstruktiv an die Probleme herangehen. Es braucht Verständnis füreinander, man muss Gemeinsamkeiten erkennen, Allianzen schmieden und auch die politisch Andersdenkenden respektieren.
Grabenkämpfe, Ausgrenzungen, Neid, Verunglimpfungen bringen uns nicht weiter: nicht im Parlament, nicht in den Kommissionen, nicht in der Gemeindepolitik. Man muss sachlich und parteiübergreifend arbeiten, um etwas Positives zu erreichen.
Wie man miteinander umgeht, ist besonders in Zeiten von Twitter, Instagram und Facebook wichtig, wo fast jedes Wort, jedes Bild öffentlich ist.
Es gilt auch auf Social Media, Vorbild zu sein. Wie sagte mal ein gescheiter Kopf: «Öffentliche Worte und Bilder werden Signale – für Gewalt oder für Verständigung, für Abschottung oder Öffnung, für Hilfe oder für Vertreibung.»
Denken wir zum Beispiel, was der amerikanische Präsident gerade auf diesen Wegen alles kaputt macht, Hass schürt und Unfrieden sät. Doch leider haben wir diese Beispiele auch in der Schweiz.
Politiker müssen sich für Verständigung, Öffnung und Hilfe einsetzen
Meine Aufgabe als Politikerin, so wie ich sie verstehe und hoffentlich lebe, ist es, mich für Verständigung einzusetzen, für Öffnung und für Hilfe. Und gegen Gewalt, Abschottung, Ausgrenzung und Vertreibung. Ich hoffe, sie tun es auch, gerade in einer Zeit wo Links- und Rechtspopulismus wieder zugenommen hat.
Besinnen wir uns deshalb gerade am 1. August auf unsere Werte, auf das, was die Schweiz stark gemacht hat, seit es sie gibt: Offenheit, Zusammenleben, einander respektieren und achten, in der Vielfalt die Chance sehen und miteinander, also gemeinsam an der Zukunft unseres wunderbaren Landes arbeiten.
Dazu dürfen wir aber vor allem eines nicht verlernen, müssen es eventuell wieder neu lernen: Kompromisse finden und diese einhalten. Ich meine, sie sind es auch, die zur Vielfalt und dem Wohlstand unseres Landes weiterhin beitragen.
Ich persönlich bin überzeugt: Die Schweiz, Ellikon, wir alle, wir können das. Die Welt, die Schweiz verändert sich stetig. Die Landwirtschaft, die Industrie, der Handel, das Gewerbe ist einem steten Wandel unterworfen.
Veränderungen sind nicht aufzuhalten. Das ist und war immer so. Veränderungen sind aber eben auch Entwicklungen. Deshalb bleiben wir uns auch hier treu und sehen in der Veränderung Chancen. Denn «Nur wer sich verändert, bleibt sich selbst treu!» hat ein Denker und Kritiker einmal gesagt. Ich versuche diesen Weg jeden Tag zu gehen.
Wir haben eine stolze Geschichte, wir haben unseren Vorfahren viel zu verdanken. Tun wir deshalb das, was auch sie immer taten: Selbstbewusst nach vorwärts schauen. Es ist jetzt unsere Verantwortung die Erfolgsgeschichte Schweiz weiter zu schreiben.
Die Schweiz so zu positionieren, dass sie in der heutigen Welt und der Welt von morgen bestehen kann. Und ich bin überzeugt, dabei haben Populisten, Rassisten und Schwarzmaler nichts zu suchen.
Ich möchte Sie deshalb alle einladen und ermuntern, sich zu engagieren. Und dadurch mitzuhelfen, die Gemeinde, unseren Kanton und unser Land aktiv mit zu gestalten und positiv zu verändern.
Bewegen wir uns, bewegen wir uns selbstbewusst, offen, positiv und zupackend.
Ich danke fürs Lesen, wünsche Euch im Kreise Eurer Familie, Freunde und Bekannten weiterhin einen schönen 1.-August-Abend.