Streik

Der Feministische Streik von A-Z

Heute ist Frauenstreik. Die SP-Politikerinnen Lena Allenspach und Barbara Keller nennen unzählige Gründe, um auf die Strasse zu gehen. Ein Gastbeitrag.

Frauenstreik
Impression 14. Juni 2019 in Bern. - Syndicom

Das Wichtigste in Kürze

  • Jedes Jahr am 14. Juni ist der Frauenstreik.
  • Lohnunterschiede, Diskriminierung und tiefe Renten – die Streikgründe sind vielzählig.
  • Lena Allenspach und Barbara Keller zeigen diese von A-Z auf.

Steigende Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann, andauernde Diskriminierungen, tiefe Frauenrenten und ungenügende Betreuungsangebote: Von der echten Gleichstellung sind wir weit entfernt. Deshalb gehen wir am 14. Juni 2021 erneut auf die Strasse.

Die Streikgründe sind vielzählig, und vielseitig. Einen kleinen Einblick rund um den Frauenstreik erhältst du deshalb hier - von Altersvorsorge bis Zeit:

A – Altersvorsorge: Was erhöht werden muss, sind die Altersrenten – nicht das Rentenalter für Frauen! Denn Frauen erhalten nach der Pensionierung einen Drittel weniger Rente als Männer. Jegliche andere Rentenreform zementiert daher bestehende Ungleichheiten.

B – Belästigung: Es gibt viele Verhaltensweisen, durch die eine Person sexuell belästigt werden kann: Bemerkungen und Witze über sexuelle Merkmale einer Person, anzügliche Gesten und Blicke, Mails oder andere Nachrichten mit sexuellem Inhalt, bis hin zu Berührungen und körperlichen Übergriffen. Sexuelle Belästigung hat nichts mit einem Flirt zu tun, denn da sagen beide Seiten ja. Es handelt sich hierbei um einen Übergriff – und oft um Machtmissbrauch.

C – Coronakrise: Es waren Frauen, welche die Schweiz während des Lockdowns am Laufen hielten: In der Pflege, im Verkauf oder auch in der Kinderbetreuung. Ein unglaublicher Einsatz, der mehr verdient hat als Klatschen.

D – Data Gap: Wusstest du, dass unsere Datenwelt von Männern dominiert wird? Der Mann gilt dabei als Standard, die Frau als Abweichung. Die Folgen? Herzinfarkte bei Frauen werden weniger schnell erkannt, Frauen frieren im Büro oder haben Handprobleme bei der Bedienung der Tastatur. Der “Gender Data Gap” hat sogar Einzug in die Stadtplanung gefunden.

E – Elternzeit: Die Schweiz ist das einzige westeuropäische Land, das keine gesetzliche Elternzeit kennt. Statt Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub sollen Eltern die gleiche bezahlte Absenz erhalten. Das verbessert die Stellung der Frau im Arbeitsmarkt sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile.

F – Feministischer Streik: Am 14. Juni mobilisieren wir auf den Strassen und an den Arbeitsplätzen!

G – Gendergerechte Sprache: Geschlechter im täglichen Sprachgebrauch gleich zu behandeln ist für eine gleichgestellte Zukunft von unerlässlicher Bedeutung. Wird nur der generische Maskulinum verwendet, bleiben Frauen in Schrift und Sprache unsichtbar. Umgekehrt kann gendergerechte Sprache auch dabei helfen, dass Frauen sich bspw. bei Stellenanzeigen angesprochen fühlen.

H – Häusliche Gewalt: Jede vierte Woche stirbt eine Frau in der Schweiz in ihren eigenen vier Wänden. Müssen wir dazu noch mehr sagen?

I – Intersektionalität: Unser Feminismus ist intersektional. Das bedeutet, dass nicht alle Diskriminierungserfahrungen gleich sind. Schwarze Frauen machen andere Erfahrungen als weisse Frauen. Sie leiden unter einer Mehrfachunterdrückung, sowohl durch sexistische als auch durch rassistische Strukturen. Wir sind erst frei, wenn alle von uns frei sind. Deshalb kämpfen wir gemeinsam, egal, woher wir kommen, welche Hautfarbe wir haben, wie alt wir sind, welche Ausbildung wir haben, wie wir leben, wen wir lieben und unabhängig von unserem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht.

J – Jubiläum: Dieses Jahr sind gleich mehrere Jubiläen: 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts, 40 Jahre nach dem Verfassungsartikel zur Gleichstellung, 30 Jahre nach dem ersten Frauenstreik, 25 Jahre nach der Einführung des Gleichstellungsgesetzes und zwei Jahre nachdem über 500‘000 Menschen für die Gleichstellung auf die Strasse gegangen sind, verlangen wir mehr denn je: Respekt! Mehr Lohn, mehr Rente.

K – (Streik)kollektive: Sind feministische Netzwerke, welche aus Menschen bestehen, die gemeinsam und solidarisch für ihre Rechte kämpfen, um diese Gesellschaft zu verändern. Das Tolle daran: Es gibt sie in fast jedem Kanton. Also vielleicht auch in deinem.

L – Lohnungleichheit: Ab 15.19 Uhr arbeiten Frauen jeweils gratis. So hoch ist der Lohnunterschied zwischen Frau und Mann. Durch die Pandemie hat sich diese Kluft sogar noch vergrössert.

M – Mansplaining: Ist es dir auch schon passiert, dass dir ein Mann dein Fachgebiet erklärt hat, auf welchem du seit Jahren arbeitest? Männer erklären Frauen die Welt, auch wenn die Frau mehr darüber weiss. Sie nehmen damit eine Autorität gegenüber Frauen ein, die ihnen inhaltlich nicht zusteht.

N – Ni una menos: Gewalt gegen Frauen gehört traurigerweise zum Alltag – lange galt sie als Tabu, als «Privatsache». Nach einer Serie besonders brutaler Morde, formierten sich 2015 in Lateinamerika erstmals Proteste mit dem Hashtag #NiUnaMenos (Keine einzige Frau weniger) Hunderttausende gingen auf die Strasse. Dieser Protest darf nicht enden, denn jede Frau die Gewalt erfährt, ist eine zu viel!

O – Ohnmacht: Frauen werden als Schlampe bezeichnet, Männern wird anerkennend auf die Schulter geklopft. Die Tür zur Bar wird uns aufgehalten, die zur Führungsetage wird uns vor der Nase zugeschlagen. Das alles macht wütend (nicht hysterisch oder zickig), das alles macht ohnmächtig.

P – Patriarchat: Das Patriarchat beschreibt ein System, das von Männern geschaffen, kontrolliert und repräsentiert wird. Vermeintlich männliche Eigenschaften gelten dabei als Norm und werden positiv bewertet. So verbinden die meisten Menschen in unserer Gesellschaft machtvolle Positionen automatisch mit männlichen Personen. Das Umgekehrte gilt für typisch weibliche Eigenschaften oder Rollen, welche oft mit Schwäche verbunden werden und Abwertung erfahren. Das sieht man beispielsweise bei «weiblichen» Berufen, welche schlechter bezahlt werden.

Q – Queerfeminismus: Unser Feminismus kämpft für die Gleichstellung aller Menschen, egal, welches Geschlecht oder Sexualität sie haben.

R – Rollenbilder: Der Mann, der Ernährer. Die Frau, die Mutter und Hausfrau. Klingt veraltet? Leider immer noch traurige Realität.

S – Sexismus: Die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts findet heute nach wie vor an unzähligen Orten statt - bewusst und unbewusst. Im Netz, am Arbeitsplatz, auf der Strasse.

T – Teilzeitarbeit: Teilzeitarbeit ist weiblich: 6 von 10 Frauen arbeiten Teilzeit. Wer Teilzeit arbeitet, hat schlechtere soziale Absicherungen, zum Beispiel in der Altersvorsorge durch Pensionskasse und AHV, und auch geringere Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Für Familien und Frauen mit Kindern ist Teilzeitarbeit aber oft der einzige Weg, den Beruf und die Kinderbetreuung zu vereinbaren.

U – Unbezahlte Betreuungsarbeit: Unbezahlte Betreuungsarbeit oder auch Care-Arbeit umfasst alle Tätigkeiten, bei denen Menschen füreinander sorgen. Dazu gehört beispielsweise Kinder erziehen, pflegen oder kochen. Der grösste Teil der unbezahlten Care-Arbeit wird immer noch von Frauen verrichtet. Das schlägt sich nieder bis zur Höhe der Rente im Alter.

V – Vulva: Die Vulva ist (noch) ein Tabu. Sie ist etwas Mysteriöses und mit Scham behaftet. Über Themen wie Vulven, Sexualität oder Menstruation kann oft nicht offen gesprochen werden, dass muss sich ändern. Viva la Vulva.

W – Working Poor: Die Arbeit von Frauen wird unterbewertet und schlecht bezahlt. Gerade in Tieflohn-Branchen wie in der Reinigung, im Gastgewerbe oder im Detailhandel arbeiten mehrheitlich Frauen. Gerade hier wären Mindestlöhne enorm wichtig, um prekäre Situationen abzufedern.

X – XXL/XXS: Zu klein, zu gross, zu dick, zu dünn. Hört auf uns zu sagen, wie wir zu sein haben.

Y – Yes means Yes: Konsens, what else? Jegliche sexuellen Handlungen sind nur dann einvernehmlich, wenn beide Partner*innen zugestimmt haben.

Z – Zeit: Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung! Durch weniger Stunden pro Wochen kann die Arbeit besser verteilt werden, negative Aspekte der Teilzeitarbeit behoben sowie die Betreuungsarbeit besser zwischen den Partner*innen aufgeteilt werden.

Wir sind Feministinnen und wir werden streiken. Du auch? Wenn du glaubst, dass alle Menschen die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben sollten, bist du längst feministisch. Deshalb auf zum feministischen Streik am 14. Juni.

***

Zu den Autorinnen:

Barbara Keller ist Co-Präsidentin SP Bern Ost, Geschäftsleitungsmitglied der SP Frauen Schweiz und Campaignerin bei der Unia Schweiz

Lena Allenspach ist SP Stadträtin, Co-Präsidentin der SP Stadt Bern, Gewerkschafterin bei syndicom und Politologin.

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