Stadt Zürich

Die stillen Antidemokraten

Reda El Arbi
Reda El Arbi

Zürich,

Unser Kolumnist wird richtig wütend, wenn Schweizer*Innen ihr Recht auf Demokratie wegwerfen - und sich dann auch noch erlauben, über den «Staat» zu motzen.

Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.

Heute werde ich mich wohl darüber freuen, dass der Vaterschaftsurlaub angenommen wird und die BGI bachab geht. Und ich werde mich darüber ärgern, dass die Kampfflugis angenommen werden. Anderen wird es genau umgekehrt gehen. Und wir haben uns das Ärgern und das Freuen auch verdient, weil wir an der Abstimmung teilnahmen.

Andere haben das nicht. Wir haben eine Stimmbeteiligung von maximal 50 Prozent. Das heisst, die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer wirft ihr Recht auf Demokratie in einer der besten Demokratien der Welt einfach weg.

vaterschaftsurlaub
In einzelnen Branchen wurde ein Papi-Urlaub bereits eingeführt. - Keystone

Wir dürfen bei jedem Hühnerfurz mitbestimmen. Wir werden gefragt, sollen mitreden und geben effektiv den Parlamenten die Befehle, was sie umsetzen sollen. Mehrmals im Jahr. Wir sind der Souverän. Und das bedeutet was in dieser Welt.

Ich kann nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die dieses enorme Privileg einfach ignorieren. Und damit mein ich nicht diejenigen, die mal eine Abstimmung verpassen, sondern diejenigen, die es nicht interessiert, oder diejenigen, die jammern, dass ihre Stimme sowieso nichts ändert. Diejenigen, die nie an die Urne gehen.

Wirklich sauer machen mich aber diejenigen, die nicht an die Urne gehen und dann aber laut und nervig über den «Staat», oder «die da oben in Bern» lamentieren. Die dauernd unzufrieden sind, sich in den Kommentarspalten aggressiv ausweinen (statistisch stimmt da jeder Zweite nicht ab) oder sonst von Diktatur und Fremdbestimmung jammern.

Leute, die nicht an den demokratischen Prozessen teilnehmen, haben ihr Recht auf Rumnölerei und Weinen über den Staat verwirkt. In der Schweiz ist der Staat keine ominöse Macht, die von einer Elite beherrscht wird. In der Schweiz ist der Staat effektiv so etwas wie die Sekretärin, der Backoffice-Assistent der Bevölkerung. Wir sagen, was geht, und die setzen es dann so um, wie es halt geht.

Natürlich kommen jetzt wieder einige und meinen, dass die Abstimmungen ja nie "richtig" umgesetzt werden. Aber diejenigen verstehen den Sinn der Abstimmungen nicht ganz. Natürlich gibts Abstimmungen, die man 1:1 umsetzen kann, aber es gibt auch diejenigen, die dem Abstimmungsverhältnis entsprechend umgesetzt werden müssen. Nehmen wir die Kampfjets als Beispiel. Wenn heute die Kampfjet-Milliarden abgelehnt würden, hiesse das nicht, dass wir keine Kampfjets bekommen. Es heisst nur, dass die Befürworter einen anderen Weg einschlagen müssten, um Mehrheiten für ihre Flugis zu finden.

Kampfjet Abstimmung
Das Volk entscheidet am 27. September über die Beschaffung der neuen Jets. Die Typenfrage soll zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden. - Keystone

Grundsätzlich ist es so, dass sich bei der Umsetzung von Initiativen und Abstimmungen nicht nur die 51 Prozent der «Sieger» durchsetzen, sondern auch die 49 Prozent der "Verlierer" damit leben können sollten. In der Schweiz bedeutet das, dass die Parlamente solange um die Umsetzung streiten, bis alle unzufrieden sind. Dann ist ein Konsens erreicht. In meinen Augen das beste System weltweit.

Also, wenn man nicht an der Urne war, wenn man sich der Demokratie verweigert, hat man das Recht verspielt, über die Politik zu motzen.

In meinem Kanton bezahlt man übrigens eine Busse, wenn man nicht an die Urne geht. Find ich voll in Ordnung. Ich würde sogar weit schmerzhafter büssen.

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