Economiesuisse: Die Erneuerbaren stecken fest
Das Wichtigste in Kürze
- Das Hauptproblem beim Ausbau Erneuerbarer ist nicht Geld, sondern die Verfahren.
- Die Verfahren für mehr erneuerbare Energien müssen klüger ausgestaltet werden.
- Ein Gastbeitrag von Alexander Keberle, Geschäftsleitungsmitglied bei economiesuisse.
Bei der Stromversorgungssicherheit ist die Liste der offenen Baustellen derzeit lang: Lahmender Ausbau der Solar- und Windenergie, Winterstromlücke, Blockade bei der Wasserkraft, Ausstieg aus der Kernenergie, explodierende Energiepreise, mangelnde Energieeffizienz und rasant steigender Strombedarf aufgrund der Dekarbonisierung und Elektrifizierung sind nur einige Beispiele.
Es ist leicht, hier den Überblick zu verlieren und sich zu verzetteln. Die beispiellose Flut an Vorlagen und Vorstössen von Bund und Parlament ist symptomatisch hierfür. Was es jetzt braucht, ist der Blick auf das Wesentliche.
Die grösste Baustelle ist, dass nicht gebaut wird
Dabei zeichnen sich das entscheidende Problem immer deutlicher ab: Der «grösste Hemmschuh für den weiteren Zubau sind laut Stromunternehmen weder fehlende Investitionen oder Subventionen noch der Nebel im Mittelland. Es sind die langwierigen Verfahren und die Flut an Rekursen. Seien es Alpinsolarprojekte in Grengiols, Wasserkraftanlagen beim Triftgletscher, oder der Windpark in Crête-Meuron – es hagelt Einsprachen, namentlich von Umwelt- und Landschaftsschützern.
Projekte in der Schweiz brauchen oft Jahrzehnte, während sie beispielsweise in Frankreich innert weniger Jahre abgeschlossen sein können. Das Ergebnis: Gemäss Recherchen der NZZ bauen Schweizer Stromunternehmen im Ausland weitaus mehr Erneuerbare Energien zu als zu Hause – 10 Terrawattstunden gegenüber 8,6 Terrawattstunden in der Schweiz.
Übermässige Gewichtung von Landschaftsschutzinteressen
Der Bundesrat hat dieses Problem erkannt und mit der sogenannten «Beschleunigungsvorlage» eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt, um die Verfahren für erneuerbare Energien zu vereinfachen. Doch diese droht zum Rohrkrepierer zu verkommen.
Die Vorlage könnte Ausbauprojekten einen Bärendienst erweisen und das Risiko sogar vergrössern respektive die Dauer verlängern, anstatt Abhilfe zu schaffen. Als Reaktion forderte der Gewerbeverband kürzlich eine Aussetzung der Bewilligungsverfahren. Mit dem gleichen Ziel, aber etwas weniger radikal in der Wahl der Mittel, sieht die Wirtschaft Anpassungsbedarf bei drei Punkten:
• Chancengleichheit in der Interessensabwägung: Die Erfahrung aus vergangenen Projekten zeigt, dass dem Umwelt- und Landschaftsschutz oft ein übermässiges Gewicht verliehen wird und Projekte blockiert werden. Damit die Vorlage ihren Zweck erfüllen und der Ausbau beschleunigt werden kann, muss dem Interesse an sicherem, klimaneutralem Strom ein grösserer Wert zugemessen werden. Wenn jede Alpweide automatisch unantastbar ist, sind die Energiewende und der Kampf gegen den Klimawandel verloren, bevor wir richtig angefangen haben.
• Projekt- und Technologieoffenheit: Die Beschleunigungsvorlage zielt nur auf die Planungs- und Bewilligungsverfahren für die bedeutendsten Anlagen der Wasserkraft und der Windenergie ab. Doch dieses Grossprojektdenken ist verfehlt. Im anbrechenden Zeitalter der dezentralisierten Stromproduktion und Solarpanels auf jedem Dach wäre es fahrlässig, nur die grössten Projekte zu beschleunigen. Auch der Ausschluss der Solarenergie ist höchst bedenklich, sind doch gerade alpine Solaranlagen ein grosser Hoffnungsträger.
• Klumpenrisiko: Die Beschleunigungsvorlage plant ein einstufiges Verfahren. Dies verursacht jedoch ein juristisches Klumpenrisiko, da kritische Punkte nicht mehr einzeln geprüft werden können. Das Projekt bekommt eine Abfuhr erst nach einem langen Verfahren, mit hohen Kostenfolgen. Die Verfahren müssen klüger ausgestaltet werden.
Mehr erneuerbare Energie ist Grundvoraussetzung für die Energiewende
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist die Grundvoraussetzung für die Energiewende und mehr Stromversorgungssicherheit. Die Bemühungen, den Ausbau zu beschleunigen, gehen in die falsche Richtung. Wenn wir auf Erneuerbare bauen wollen, müssen wir auch sicherstellen, dass sie effektiv gebaut werden.
Zum Autor: Alexander Keberle, Geschäftsleitungsmitglied bei economiesuisse und verantwortlich für die Themen Infrastruktur, Energie & Umwelt, ist 30 Jahre alt und lebt in Zürich.