Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP) zur Selbstbestimmungsinitiative
Unserer Wirtschaft ging es schon lange nicht mehr so gut wie heute und der Aussenhandel ist das, was uns als Kleinstaat stark macht.
Das Wichtigste in Kürze
- Über 600 völkerrechtliche Verträge gehen in die Brüche
- Das Volk entscheidet schon jetzt
- Abschaffung des Schutzes der Schweizer BürgerInnen durch die EMRK
Um den erfolgreichen Weg weiterhin gehen zu können, benötigen wir optimale Rahmenbedingungen für die nationale Wirtschaft und die hier ansässigen Unternehmen: die Schweiz ist deshalb auf ein gutes Vertragsnetz angewiesen. Über 600 völkerrechtliche Verträge sorgen dafür, dass die Schweiz überhaupt im- und exportieren kann.
Doch genau diese Verträge stehen am 25. November 2018 auf der Kippe. Denn dann stimmen wir über die «Selbstbestimmungs»-Initiative ab. Diese verlangt zukünftig den generellen Vorrang der Bundesverfassung vor Völkerrecht. Bei Widersprüchen zwischen einem Vertrag und der Verfassung soll das entsprechende Abkommen neu verhandelt oder nötigenfalls gekündigt werden. Schweizer Gerichte sollen bei einer Unvereinbarkeit auch bereits gültige Verträge missachten, sofern diese nicht dem Referendum unterstanden haben.
Die Vorlage fordert nichts Neues; schon jetzt hat das Volk das letzte Wort. Bei einem Widerspruch waren dem Parlament und dem Bundesrat jedoch bisher Spielräume für pragmatische Lösungen gegeben. Die Initiative zwingt das Parlament und der Bundesrat bei Widersprüchen in ein starres Korsett: eine Nachverhandlung von Verträgen mit mehreren Staaten ist in den meisten Fällen kaum bis gar nicht möglich, teilweise jahrelange Verhandlungen würden mit nur einer Vorlage vom Tisch gefegt werden. Die logische Schlussfolgerung davon ist die Kündigung von Verträgen. Doch die Initiative definiert nicht, wann und von wem ein widersprüchlicher Vertrag gekündigt werden müsste; was zurückbleibt ist eine Rechtsunsicherheit. Rechtsunsicherheit für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere Handelspartner. Der gute Ruf der Schweiz als verlässlicher Handelspartner wird aufs Spiel gesetzt und schadet der Standortattraktivität der Schweiz.
Mit ihrer Tradition steht die Schweiz nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht für Vertrauen und Verlässlichkeit, sondern auch in humanitärer Weise. Der rechtliche Schutz von Schweizer Bürgerinnen und Bürger wird unter anderem auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet. Weil die Schweiz kein Verfassungsgericht kennt, kann das Bundesgericht die Verfassung nicht korrigieren, wenn sie gegen ein Grundrecht verstösst. Es kann jedoch auf die EMRK zurückgreifen, sollten Personen aufgrund eines menschenrechtswidrigen Gesetzes verurteilt werden. Über die Umsetzung der EMRK wacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) in Strassburg, in welchem auch die Schweizer Richterin Helen Keller Einsitz für die Schweiz hat. Der Richter für Liechtenstein, Carlo Ranzoni, ist ebenfalls Schweizer. So fremd sind die «fremden Richter» also gar nicht. Mit einer Annahme der Initiative wäre die Schweiz nicht mehr länger verpflichtet, sich an die EMRK zu halten. Die Vorlage gefährdet damit auch den Einsitz im Europarat, welcher an die EMRK gebunden ist. Der Europarat ist der Garant für Frieden und Sicherheit in Europa; ein Ausstieg würde anderen Ländern ein gefährliches Zeichen senden.
Der Titel der Initiative klingt verlockend. Doch unsere Selbstbestimmung erhalten wir mit ihr nicht, sondern mit einer prosperierenden Wirtschaft und einem gut funktionierenden System. Auf beides können wir mit Stolz und Zuversicht blicken. Die «Selbstbestimmungs»-Initiative schafft Rechtsunsicherheit und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz; sie gefährdet damit beide Faktoren, die uns erlauben, selbstbestimmt zu leben. Deshalb setze ich mich mit Überzeugung für das Nein zur SBI ein.