Felix Brun: Hans Bauer kämpfte für ein vereintes, föderales Europa
Der Politiker Hans Bauer kämpfte während des Nationalsozialismus für ein vereintes, aber föderales Europa. Eine Analyse von Europa-Wissenschaftler Felix Brun.
Das Wichtigste in Kürze
- Europa-Experte Felix Brun kommentiert Texte bedeutender Schweizer Persönlichkeiten.
- In diesem Artikel befasst er sich mit dem ehemaligen Bundesrat Felix Ludwig Calonder.
Es ist ein ereignisreiches Jahr, ein Jahr von grosser europäischer Tragweite, als Hans Bauer in Basel zwei vieldiskutierte Referate hält: Ein Schicksalsjahr, dieses 1933, noch im Januar kommt Hitler in Deutschland an die Macht, es folgen der Reichstagsbrand und zahlreiche Gesetze zur Gleichschaltung der deutschen Bevölkerung.
Der 32-jährige Hans Bauer allerdings lässt sich in diesen bewegten Zeiten nichts verbieten, er will und wird seine Meinung frei äussern. Er fordert eine «Eidgenossenschaft der Völker» und meint damit einen Zusammenschluss innerhalb Europas. Allerdings bleibt auch er nicht ganz ohne Widersprüche.
Hans Bauer liebäugelt in jenen Jahren schon länger mit einem europäischen Zusammenschluss. Er interessiert sich vor allem stark für die vom österreichischen Grafen Richard Coudenhove-Kalergi gegründete «Paneuropa-Union». Der Zufall will es, dass Graf Coudenhove in jener Zeit einen grossen Europakongress in Basel plant.
Als der Kongress dann im Jahre 1932 tatsächlich stattfindet, merken viele der Anwesenden allerdings schnell einmal, dass die Ansichten des Grafen mit einer demokratischen, womöglich sogar föderalen Union nichts zu tun haben: Der Graf, der die Zügel der Paneuropa-Union fest in seinen Händen hält, bekennt sich offen zum Führerprinzip Hitlers und bewundert den italienischen Faschisten Mussolini.
Beschäftigung mit der Europafrage
Während Hans Bauer sich immer intensiver mit der Europafrage beschäftigt, liest er auch C. G. Jung: «Die grossen Ereignisse der Weltgeschichte sind [...] von tiefster Belanglosigkeit. Wesentlich ist in letzter Linie nur das subjektive Empfinden des Einzelnen.
«Dieses allein macht die Geschichte», sagt Jung in seinem Werk «Die Bedeutung der Psychologie für die Gegenwart» einmal und Hans Bauer wird dieses Credo verinnerlichen. Der Einzelne kann an der Gestaltung der Geschichte mitwirken, er ist nicht gleichgeschaltet, seine Stimme ist wichtig. Es ist nun für Hans Bauer die Zeit gekommen, seine Stimme zu erheben. Gelegenheit dazu gibt ihm ein erster Vortrag in Basel am 17. Mai 1933.
Bauer warnt: Man dürfe den Krieg nicht bagatellisieren, das sei «eine der grössten Kriegsgefahren.» Der Uniformierung im Dritten Reich müsse man nun entschlossen entgegentreten, gerade als Schweizer, so Bauer weiter. «Nicht dadurch ist ein Volk gross, dass es sich uniformiert, in öder Gleichmacherei alle Besonderheiten einzustampfen versucht [...].»
Schweiz als Vorbild
Nein, für Hans Bauer besteht «Grösse [...] darin, dass alle Elemente zum Aufbau herangezogen und geachtet werden». Das Besondere hat also seine Bedeutung, ist eine Spezialität, eine Auszeichnung. Gegensätze sind für Bauer fruchtbar, Gleichschaltung ist unmenschlich.
Mit der gegensätzlichen Schweiz als Vorbild für ein kommendes geeintes Europa im Hinterkopf drängt Hans Bauer seine gespannt lauschenden ZuhörerInnen zu einer Entscheidung, es gebe nur zwei Möglichkeiten in diesen bewegten Zeiten, «entweder wird Europa und schliesslich die Menschheit verschweizert oder der Nationalismus frisst die Schweiz.»
Die beiden Referate in Basel, «Vaterland und Völkergemeinschaft» vom 17. Mai und «Wahneuropa oder Paneuropa» vom 10. November 1933 machen Hans Bauer in Basel einem breiten Publikum bekannt.
Dass er einerseits den nationalistischen Rassegedanken klar ablehnt, gleichzeitig aber weiterhin von einer europäischen, weissen Rasse spricht, die der Welt das Licht bringen wird, ist ein Widerspruch, den er selber in jenen Jahren nicht zu bemerken scheint.
An der Grundhaltung Bauers bezüglich Europas ändert sich allerdings sein ganzes Leben lang nichts: Bis ins hohe Alter kämpft er für ein vereintes, föderales Europa, ein Europa der Gegensätzlichkeiten, nicht der Gleichschaltung.
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«Sprechen wir über Europa»
Im Rahmen dieser Serie gibt Felix Brun, Journalist und wissenschaftliche Mitarbeiter bei der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz, Abschnitte aus seinem Buch «Sprechen wir über Europa» preis. Dieses behandelt zehn Reden und Texte von bedeutenden Schweizer Persönlichkeiten, die die Überlegungen zum Verhältnis der Schweiz zu Europa wiederspiegeln.