Gastbeitrag: Kirchen als Impfzentren wäre gelebte Nächstenliebe
Einige Kirchenfunktionäre glauben vielleicht, durch göttliche Fügung vor dem Virus geschützt zu sein, schreibt Freidenker Andreas Kyriacou. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Andreas Kyriacou ist Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS).
- Auf Nau.ch schreibt Kyriacou einen offenen Brief an die Kirche.
Kirchenfunktionäre, ihr habt in Bundesbern so geschickt lobbyiert wie die Skiregionen und eure Ausnahmeregel erhalten: Ihr dürft, Pandemie hin oder her, weiterhin 50 Personen in einem Raum zusammentrommeln.
Theaterlokale und andere Veranstaltungslokalitäten bleiben hingegen geschlossen. Egal, wie gross sie sind und wie viele Sitzplätze sie bieten.
Kirchenfunktionäre: Verwandelt eure Gebäude in Impfzentren
Einige von euch Kirchenfunktionären glauben vielleicht tatsächlich, durch göttliche Fügung vor dem Virus geschützt zu sein.
So wie der Churer Bischof Marian Eleganti, der während der ersten Welle meinte, er könne nicht nachvollziehen, dass die Verteilung der Hostien an die KommunionsteilnehmerInnen ein Ansteckungsrisiko darstelle.
Mit dem Glauben ist es aber halt so eine Sache: Er kann ein wohliges Gefühl auslösen, mit der Realität muss er aber nicht viel zu tun haben.
Online-Gottesdienste als Ausweg
Mir ist bewusst, Marian Eleganti wurde – erfreulicherweise – für sein Auflehnen gegen Pandemiemassnahmen auch innerkirchlich scharf kritisiert. Und einige von euch haben sich gesagt: Was andere Veranstalter können, kriegen wir auch hin – und ihr habt begonnen, eure Gottesdienste zu streamen. Gut gemacht!
Mehrere kirchennahe Personen haben sogar öffentlich betont, dass Ausnahmeregelungen für Religionsgemeinschaften nicht angezeigt seien.
Nicht nur, weil eben auch Gottesdienste online stattfinden können, sondern weil Ausnahmeregeln aus epidemiologischer Sicht schlicht der falsche Ansatz sind.
Zu ihnen zählen beispielsweise der reformierte Berner Pfarrer Christian Walti oder der frühere freikirchlich-evangelische Pastor Heinz Röthlisberger, der meinte, ein Verzicht auf Präsenzveranstaltungen wäre praktisch gelebte Nächstenliebe.
Noch besser: Kirchen umfunktionieren
Das mit der Nächstenliebe verkauft ihr doch gerne als euer Alleinstellungsmerkmal.
Wenn ihr also, liebe Kirchenfunktionäre, doch nicht davon abzubringen seid, eure Gebäude auch inmitten der Pandemie offenzuhalten, dann macht’s doch so wie die Hausherren der Lichfield-Kathedrale im Herzen von England. Der Kirchenbau dient nun als Impfzentrum!
Aus der ersten Welle gibt es auch ein lokales gutes Beispiel: Die christkatholische Basler Predigerkirche wurde zum Testzentrum umgenutzt. Da wurde der Kirchenbesuch auch für manche Religionsferne zum positiven Erlebnis.
Eure Infrastruktur in dieser Form der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen - das wäre ein wirklicher Akt der Nächstenliebe, liebe Kirchenfunktionäre.
Und natürlich erst recht, wenn ihr angesichts der grosszügigen Pauschalen, die ihr in den meisten Kantonen Jahr für Jahr vom weltlichen Staat erhält, auf Rechnungsstellung verzichtet. Dazu aber ein andermal mehr.
Zum Autor: Andreas Kyriacou ist Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS), Gründer des Wissensfestivals Denkfest und des humanistisch und wissenschaftlich ausgerichteten Sommerlagers Camp Quest sowie NGO-Vertreter am Uno-Menschenrechtsrat.
Die FVS vertritt die Anliegen der nichtreligiösen Bevölkerung und setzt sich insbesondere für eine weltlich-humanistische Ethik, die Hochhaltung der Menschenrechte und die Trennung von Staat und Kirche ein.