Klimastreik: Zürcher Polizei fordert «fünfstelligen Betrag»
Nach der Räumung eines Protests im Wald von Rümlang erhalten Klimaaktivisten eine Rechnung von der Polizei. Diese verteidigen sich im Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Klimastreik hatte ein Stück Wald in Rümlang ZH als Protestaktion besetzt.
- Die Polizei will nun die Kosten ihres Räumungseinsatzes auf die Aktivisten abwälzen.
- Ein gefährlicher Präzedenzfall, findet der Klimastreik in seinem Gastbeitrag.
Nachdem im Frühling dieses Jahres ein Protestcamp im Kanton Zürich mit einem riesigen Polizeiaufgebot geräumt wurde, versucht die Polizei jetzt, ihre Kosten aus den Taschen der Festgenommenen zu decken.
Mitten in der Klimakrise soll in Rümlang (ZH) ein 11 Hektar grosses Waldstück mit 6000 Bäumen gerodet werden, um eine Bauschuttdeponie zu erweitern. Ein Wald, der nicht nur CO2 speichert, sondern auch Lebensraum für Tiere und Insekten bietet.
Auch die Menschen profitieren vom Waldstück: Es dient als Naherholungsgebiet in den immer heisser werdenden Sommern. Um gegen die drohende Rodung und die damit einhergehende Umweltzerstörung ein Zeichen zu setzen, haben sich im vergangenen Frühjahr mutige Menschen zur Wehr gesetzt und im Waldstück einen Protest gegen die drohende Rodung und Umweltzerstörung gestartet.
Der Protest hatte eine kleine, positive Auswirkung auf den Wald. Die Erweiterung wurde angepasst, einige alte, ökologisch wertvolle Eichen werden verschont. Grösser sind jedoch die Auswirkungen auf die Aktivist*innen.
Trotz stetigen Dialogs mit der Gemeinde und grossen öffentlichen Interesses wurde der friedliche Protest mit einem grossen Polizeiaufgebot geräumt. Einen Teil dieser Räumungskosten will die Kantonspolizei auf die Aktivist*innen überwälzen.
Der fünfstellige Betrag soll auf 14 Aktivist*innen übertragen werden – obwohl fast alle dieser 14 Aktivist*innen der Aufforderung der Polizei direkt nachgekommen sind und sich freiwillig vom Gelände entfernt haben. Ihnen werden lediglich Vergehen im Bereich der Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen, also Vergehen, die juristisch auf einer Stufe mit Parkbussen stehen.
Mit dieser Kostenüberwälzung spricht die Polizei eine Strafe aus, bevor ein Gericht überhaupt einen Schuldspruch gefällt hat. Dieses Vorgehen verletzt die Unschuldsvermutung und gefährdet die Versammlungsfreiheit.
Der Präzedenzfall
Durch die Kostenüberwälzung auf friedliche Protestierende in Rümlang (ZH) droht ein Präzedenzfall geschaffen zu werden, welcher als Vorlage für eine zukünftige Überwälzung von Polizeikosten für viele Formen des Protestes dienen würde.
Dies ist eine Bedrohung des Rechts auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäusserung. Gerade in Zeiten zunehmender Krisen und gesellschaftlicher Polarisierung gilt es, diese Rechte zu schützen.
Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist ein zentraler Pfeiler freier Gesellschaften. Proteste stellen sich Missständen entgegen, geben den Unterdrückten und Vergessenen eine Stimme und wandeln individuelle Ohnmacht in gemeinsame Kraft um.
Weltweit zeichnet sich jedoch ein beunruhigender Trend zu immer mehr Einschränkungen, Repressionen und Gewalt gegen Menschen ab, die dieses Recht wahrnehmen. Auch in der Schweiz gibt es zahlreiche Beispiele für diese Entwicklung.
Repression eskaliert in verschiedenen Kantonen
Im Kanton Bern können Gemeinden bereits die Kosten von Polizeieinsätzen auf Demonstrant*innen, die Gewalt ausüben oder dazu aufrufen, überwälzen. Seit diesem Jahr macht die Stadt Bern von dieser Möglichkeit Gebrauch – einige solche Kostenüberwälzungen sind bereits rechtskräftig.
Auch die Behörden des Kantons Luzern können ebenfalls entstandene Kosten an beteiligte Demonstrant*innen überwälzen. Momentan besteht im Kanton Zürich die Möglichkeit eines Kostenersatzes. Gemeinden können bei ausserordentlichen Einsätzen die Kosten auf die Verursacher*in überwälzen.
Die Anti-Chaoten-Initiative der Jungen SVP in Zürich zielt darauf ab, dass zukünftige Einsatzkosten von «ausserordentlichen Polizeieinsätzen» auf die Demonstrant*innen überwälzt werden müssen. Eine genaue Definition von «ausserordentliche Polizeieinsätzen» sucht man im Initiativtext vergeblich.
Zudem fordert die Initiative eine Bewilligungspflicht für öffentliche Kundgebungen und Demonstrationen. Die Initiative wurde auf kantonaler Ebene eingereicht, da die bürgerlichen Parteien in der Stadt keine Mehrheit haben und auf diesem Weg versuchen, per kantonaler Gesetzgebung die Zürcher Stadtbevölkerung zu bevormunden.
Die JUSO vermutet, dass so künftige Organisator*innen und Teilnehmer*innen von Demonstrationen mit hohen Kosten rechnen müssen. Mit dieser Initiative versucht die JSVP die Meinungsfreiheit zu unterdrücken, und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wird mit Füssen getreten. Deshalb ist es wichtig, sich schon jetzt gegen diese Initiative zu wehren.
Wald statt Repression
Um die Versammlungsfreiheit weiterhin zu schützen, ist es wichtig, dagegen anzugehen. Die Umweltschützer*innen, die von dieser Kostenüberwälzung der Polizei betroffen sind, sind bereit, damit bis nach Strassburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen. Damit das Recht auf Protest und Versammlungsfreiheit auch in der Schweiz weiterhin bestehen bleibt.