Kolumne: Schüler als Sündenböcke der gescheiterten Integration
Es müsse gelingen, schulisch hoch- oder minder Begabte in einer und derselben Stammklasse zu fördern, findet Kolumnistin Clarita Kunz.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schule sollte ein Ort sein, wo alle Kinder gerne hingehen.
- Hoch- und Minderbegabte sollen die Schulzeit in einer Stammklasse absolvieren.
- Eine Kolumne von Pädagogin und Autorin Clarita Kunz.
Lern- und verhaltensauffällige Kinder sollen wieder in Kleinklassen separiert werden. Das ist aus pädagogischer Sicht verwerflich.
Positiv an der Diskussion rund um die Wiedereinführung von separaten Klein- oder Förderklassen ist einzig die Tatsache, dass endlich eine breite Diskussion darüber stattfindet, wie die besorgniserregende Situation an den Schulen verbessert werden kann.
Um die Wiedereinführung von Förderklassen zu legitimieren, argumentieren Politiker: innen, Kantonsregierungen, verzweifelte Pädagog:innen und Eltern so: Kindern, die in Kleinklassen gefördert werden, geht es besser als in den Stammklassen. Doch das ist völlig absurd!
Kinder, die separat beschult werden möchten, sind Einzelfälle, denen es in der Stammklasse miserabel geht. Andere Kinder stören den Unterricht so sehr, dass Lehrpersonen sie am liebsten loswerden möchten.
Diese Fragen sollte man sich stellen
Doch statt lediglich Symptome zu bekämpfen und solche Kinder zu separieren, müsste man sich dringlichst folgende Fragen stellen: Wie kommt es bloss dazu? Warum schaffen wir es nicht, alle Kinder und Jugendlichen – ob schnell oder langsam lernende, mit und ohne Sprachprobleme – bis zum Ende der Schulzeit gemeinsam, trotz einer nie dagewesenen Fülle von Hilfsmitteln, in einer Klasse zu fördern?
Warum ist Schule spätestens ab der Mittelstufe ein lästiges Übel? Weshalb sind so viele Schüler und Schülerinnen abgelöscht? Wo bleibt die Lernfreude? Weshalb gibt es so viel Personal in den Klassenzimmern? Weshalb kostet das Schulsystem immer mehr Steuergeld? Weshalb ist der Lehrberuf so anstrengend?
Weshalb funktioniert Unterrichten an den Staatsschulen nur noch mit Androhen von Prüfungen und Verteilen von Smileys? Weshalb gibt es Lehrermangel und zu wenig Heilpädagogen und Heilpädagoginnen?
Kein Kind kommt faul zur Welt
Die Schule sollte ein Ort sein, wo Kinder gerne hingehen. Denn: Kein Kind kommt faul zur Welt! Schülerinnen und Schüler sollen nicht länger Sündenböcke der gescheiterten Integration sein.
Es muss gelingen, schulisch Hoch- und Minderbegabte in einer und derselben Stammklasse bis ans Ende der obligatorischen Schulzeit optimal zu fördern!
Zürcher Initiative diskriminierend
Würde die Zürcher Initiative zur Wiedereinführung von Förderklassen in Zürich und in anderen Kantonen angenommen, wäre das enorm diskriminierend, weil Schülerinnen und Schüler, die einmal einer solchen Kleinklasse zugeteilt werden, erfahrungsgemäss bis zum Ende ihrer Schulzeit dort verbleiben.
Weit weniger abgestempelt werden Kinder bei der Lösung, die der Kanton Basel-Stadt umsetzt: Kinder, die einer Förderklasse zugeteilt werden, dürfen beziehungsweise müssen höchstens zwei Jahre dort verbleiben. Danach müssen sie wieder in der Stammklasse aufgenommen werden.
Auch der Vorschlag der Regierungsrätin und EDK-Präsidentin Silvia Steiner ist aus pädagogischer Sicht vertretbarer. Zusammen mit den Lehrerverbänden fordert sie, die Initiative abzulehnen und dafür erweiterte Lernräume, sprich: Schulinseln zu schaffen.
Zur Person: Clarita Kunz ist Pädagogin und Autorin («Schule als Leistungsbremse») aus Erlenbach ZH.