«Mehr Schutzgebiete»: Claudia Friedl (SP) zum Tag der Biodiversität
Jeden Tag sterben weltweit 150 Arten aus. Die Auswirkungen auf das Ökosystem können gravierend sein. Ein Gast-Kommentar von SP-Nationalrätin Claudia Friedl.
Das Wichtigste in Kürze
- SP-Nationalrätin Claudia Friedl findet, dass es mehr Schutzgebiete in der Schweiz braucht.
- Und: Der Einsatz von Pestiziden muss abnehmen.
Heute ist Tag der Biodiversität. Eine gute Gelegenheit, sich darüber einige Gedanken zu machen. In der Schweiz kommen mindesten 45'000 bekannte Arten vor. Rund ein Drittel der bewerteten Arten gilt als bedroht.
Das Bundesamt für Umwelt sieht dringenden Handlungsbedarf und weder Verfassung noch Gesetz als genügend umgesetzt. Weltweit sieht es nicht besser aus. Pestizide vergiften den Boden und die Insekten, Regenwald wird abgeholzt – in Brasilien trotz der Coronakrise sogar noch stärker als davor, grosse Waldbrände häufen sich – die Bilder der Brände in Australien vor wenigen Monaten werden wir nicht so schnell vergessen und der Plastik in den Meeren erstickt die Tiere zu Millionen. Die Artenvielfalt leidet.
Täglich sterben Arten aus
Jeden Tag sterben weltweit rund 150 Arten aus. Die verschwinden von der Bildfläche – viele davon hat nie ein Mensch zu Gesicht bekommen. Der 22. Mai ist der Tag der Biodiversität: Er sollte uns daran erinnern, welche Verantwortung wir für die Welt und ihre Lebewesen haben und was wir anrichten können, wenn wir unsere Verantwortung nicht wahrnehmen und die Welt zerstören und ausbeuten, weil wir sie nur als Ressource betrachten.
Rund 90 Prozent der bekannten Tier- und Pflanzenarten leben in Regenwäldern. Aber jedes einzelne Land trägt die Verantwortung für seine Arten. Das kann kein Land einfach auf andere abschieben.
In der Schweiz schwindet die Biodiversität trotz offiziellen Zielen und Konzepte. In der Schweiz sind 3'779 Arten bedroht und trotzdem wird zu wenig unternommen – das ist klar verfassungswidrig.
Der Erhalt der Biodiversität ist nicht einfach etwas für Träumerinnen oder Gestrige. Ein Artenrückgang hat weitreichende Konsequenzen. Das genetische Potenzial wird eingeschränkt oder Funktionen nicht mehr ausgeführt. Noch werden unsere Obstbäume von den rund 620 Bienenarten bestäubt.
In China sieht es bereits düster aus: Der Bienenschwund ist dort so stark, dass die Blüten von Menschen bestäubt werden müssen. Jede ausgestorbene Art verändert das Ökosystem. In welche Richtung bleibt offen.
Es muss gehandelt werden
Ein wichtiges Handlungsfeld ist, dass der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft drastisch zurückgehen muss. Invasive Arten, Mikroverunreinigungen, Temperaturanstieg setzen der Biodiversität ebenfalls zu. Vor allem muss der Druck auf Biotope und Lebensräume verringert werden.
Die Schweiz braucht mehr Schutzgebiete, mit 12,8 % der Landesfläche gehört sie zu den Schlusslichtern. Das Ziel der UNO liegt bei 17 %. Da ist also noch Luft nach oben.
Der Aktionsplan Biodiversität wäre eine gute Ausgangslage. Aber er muss endlich, rasch und konsequent umgesetzt werden.
Zur Person: Claudia Friedl (59) ist promovierte Umweltnaturwissenschaftlerin und St. Galler Nationalrätin (SP).