Meret Schneider: Es braucht Kastrationspflicht für Freigängerkatzen!
Tierheime seien mit den Freigängerkatzen-Kastrationen überfordert, weil sie das politische Versagen kompensieren, findet Grünen-Nationalrätin Meret Schneider.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nationalrat lehnte eine schweizweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen ab.
- Nau-Kolumnistin Meret Schneider sorgt jetzt für einen neuen Anlauf.
Vor vier Jahren wurde eine Motion der damaligen Nationalrätin Doris Fiala für eine schweizweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen erst vom Bundesrat – und dann vom Nationalrat abgelehnt.
Die Argumentation damals war so fadenscheinig, wie sie auch in aktuellen Debatten ins Feld geführt wird. Sie stützt sich in erster Linie auf die Annahme, dass viele Katzenbesitzende ihre Tiere bereits heute kastrieren und eine Pflicht unverhältnismässig wäre.
Zudem hätten die kantonalen Vollzugsbehörden bereits heute die Möglichkeit, die Kastration von Tieren anzuordnen. Wenn ihre Halterinnen und Halter nicht in der Lage sind, die Fortpflanzung ihrer Katzen zu kontrollieren.
Es sei hier vorsichtig gefragt: Wie kann eine kantonale Vollzugsbehörde feststellen, ob ein Freigänger-Kater bereits jede Menge Junge gezeugt hat – und die Besitzende wissen davon?
Weder lobbyiert noch anwesend bei Abstimmung
Aber: Diese Praxisuntauglichkeit ist nicht die einzige Schwäche der Argumentation. Natürlich war auch der Umstand, dass Frau Fiala weder für die Motion lobbyiert, noch zur Zeit der Behandlung im Rat anwesend war, einem potenziellen Erfolg abträglich.
In einigen Parteien schien es zu Verwechslungen gekommen zu sein. Aber dass die absolute Negation des Problems durch den Bundesrat so unangefochten stehen blieb, hat mich doch leicht schockiert.
So meinte der Bundesrat damals: «Nach aktuellen Schätzungen sterilisiert oder kastriert ein grosser Teil der Halterinnen und Halter ihre Katzen bereits. (...) Eine Verpflichtung auf Bundesebene zur Kastration aller Hauskatzen wäre unverhältnismässig und würde die Situation der streunenden Katzen nicht unbedingt verbessern, da diese Tiere gar keine Besitzerinnen und Besitzer haben.»
Auf welcher Datengrundlage?
Aha. Zum einen wäre es spannend zu erfahren, auf welcher Datengrundlage die Annahme fusst, die meisten Halterinnen und Halter würden ihre Katzen bereits kastrieren. Zum anderen ist die Aussage, eine Kastrationspflicht würde die Situation der Streunerkatzen nicht wesentlich verbessern, geradezu ein Abgesang auf jedes Verständnis von exponentiellem Wachstum.
Also: Natürlich verbessert eine Kastrationspflicht die Situation der bereits existierenden Streunerkatzen nicht a priori. Sie sorgt aber dafür, dass die Population nicht ins Unermessliche wächst, indem sich unkastrierte Hauskatzen mit ihnen vermehren.
Das Wachstum der Katzenpopulation wird nämlich nicht kontrolliert. Und die Zahl der Katzen würde ohne Gegenmassnahmen schnell zunehmen.
Hierfür gibt es verschiedene Gründe: Einerseits pflanzen sich die herrenlosen Tiere untereinander fort. Andererseits tragen Freigänger-Katzen, die von ihren Haltern nicht kastriert werden, massgeblich zu einem unkontrollierten Wachstum der Streunerpopulation bei.
Katzen werden auf Bauernhöfen getötet
Und zwar, indem sie sich mit anderen paaren und so ständig für weiteren Nachwuchs sorgen. Weil die Kontrolle des Paarungsverhaltens unkastrierter Freigänger-Katzen aus praktischen Gründen unmöglich ist, reguliert der Mensch die Populationsentwicklung durch andere Massnahmen: nämlich Tötungen.
Diese Tötungen erfolgen oftmals, wenn auf Bauernhöfen Katzen mehrere Würfe haben oder Haltende ihre jungen Kätzchen nicht loswerden.
Ein Tierarzt muss es durchführen
Und dies zumeist gesetzeswidrig: Gemäss Schweizer Tierschutzrecht darf die Tötung von Tieren nur durch fachkundige Personen erfolgen. Zudem dürfen Wirbeltiere und Panzerkrebse nicht ohne Betäubung getötet werden.
Wird ein Tier also nicht professionell, also durch einen Tierarzt, eingeschläfert, sondern erschlagen, ertränkt oder ausgesetzt, stellt dies eine Tierquälerei im Sinne des Tierschutzgesetzes dar.
Ein Argument, das nicht vom Bundesrat, sondern von Bauernseite her gern eingebracht wird, ist der Erhalt des Bestandes. Denn: Viele Bäuerinnen und Bauern halten Katzen zum Mausen auf den Höfen.
Diesem Argument, das eine gewisse Berechtigung hat (aktuell sind jedoch sämtliche Tierheime mit Katzen überfüllt, die meisten sind bereits jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen), kann begegnet werden, indem eine Pflicht erst nach dem ersten Wurf greift.
Auch der finanzielle Aspekt ist für die Katzenhaltenden vertretbar: Die Kastration für einen Kater kostet rund 80 bis 140 Franken, für eine Kätzin 180 bis 250 Franken. Das ist verglichen mit den ohnehin anfallenden Futterkosten und der Impfung und Entwurmung sehr moderat.
Gespräche versprechen ein Happy-End
Es ist mir nach eingehender Beschäftigung mit der Thematik tatsächlich noch kein Argument begegnet, das nicht im ersten Atemzug entkräftet werden könnte.
Und ich tue daher etwas, das ich sonst nie tue: Trotz Ablehnung des ersten Vorstosses, werde ich die Problematik mit einem weiteren Vorstoss, der eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen spätestens nach dem ersten Wurf fordert, neu aufgleisen.
Zumindest die Gespräche und die parteiübergreifende Unterstützung versprechen ein Happy-End im Ratssaal. Und eine Entlastung für all die überforderten Tierschutzorganisationen und Tierheime, die aktuell das politische Versagen kompensieren.
Zur Person: Meret Schneider (31) ist Mitglied des Schweizer Nationalrats. Sie arbeitet als Projektleiterin beim Kampagnenforum. Weiter ist sie Vorstandsmitglied der Grünen Partei Uster ZH.