Michela Seggiani (SP Basel-Stadt): Das Fräulein ist tot
Sprache schafft Realität, was eine geschlechtergerechte Kommunikation zentral macht. Ein Gastbeitrag von Michela Seggiani (SP Basel-Stadt).
Das Wichtigste in Kürze
- Sprache schafft Realität: Gleichstellung ist auch in der Sprache wichtig.
- Veränderung der Sprache muss erkämpft werden, denn sie wird nicht einfach passieren.
- In diesem Gastbeitrag wird zum Streiktag erneut geschlechtergerechte Sprache gefordert.
«Das Fräulein ist tot, es lebe die Frau» stand auf dem Abziehbildchen, das ich am 14. Juni 1991 an einem Stand in Basel zum Frauenstreik erhielt. Ich fand den Kleber witzig und habe ihn auf meine Agenda geklebt. Ich war damals 17 Jahre alt und besuchte eine Mädchenklasse in der Diplommittelschule.
Die Agenda lag immer auf meinem Pult in der Schule und ich habe mir nicht viel dabei gedacht, als ich sie – nun mit einem lila Kleber – weiterhin auf den Tisch legte. Ein Lehrer hat mich aufgebracht darum gebeten, die Agenda sofort vom Tisch zu nehmen und dieses blöde Abziehbildchen in seinem Schulfach sicher nicht zu präsentieren.
Feminismus hätte bei ihm nichts zu suchen. Erst da wurde mir bewusst, was eine Aussage wie «das Fräulein ist tot, es lebe die Frau» auslösen kann.
Damals wurde mir klar, dass Veränderung der Sprache, wenn es darum geht, Respekt auch über Sprache einzufordern, nicht einfach passiert, sondern erkämpft werden muss.
Dank vielen starken Frauen, die sich dafür eingesetzt haben, ist das Wort «Fräulein» im deutschen Sprachraum mittlerweile tatsächlich ziemlich tot und der Begriff wird nicht mehr benutzt.
Heute wie damals – wie tatsächlich wohl bereits seit Anbeginn der Menschheit – müssen Begriffe und ihre Verwendung ausgehandelt werden. Auch heute muss dafür gekämpft werden, dass Worte und Begriffe, die despektierlich sind und Menschen und Gruppen abwerten, nicht mehr verwendet werden.
Wir benötigen einen Sprachgebrauch, der die Gleichstellung der Geschlechter auch in der Sprache aufzeigt. Denn Worte und Sprache schaffen Realität.
Wenn ich von einem «Feuerwehrmann» spreche, stellen sich wohl die meisten Menschen einen Mann, nicht eine Frau in einer Feuerwehruniform vor.
Sprache kann sehr mächtig sein; Sprache und ihr Gebrauch zeigen Machtstrukturen, die innerhalb der Gesellschaft gelten, auf. So bedeutet «herrlich» etwas sehr Schönes, aber «dämlich» etwas eher Dummes. Bei einer geschlechtergerechten Sprache geht es nicht bloss um Worte, sondern um Gleichstellung: nur was gesagt werden kann, kann auch real sein.
Eine gesellschaftliche Entwicklung hin zu einem geschlechtergerechten Zusammenleben braucht auch sprachliche Entwicklung. Nur die männliche Form zu nennen und alle anderen Geschlechter «mitzumeinen», reicht nicht. So fordere ich zum feministischen Streik am 14. Juni 2023 eine diskriminierungsfreie Kommunikation ein.
Zur Autorin: Michela Seggiani ist Fraktionspräsidentin der SP Basel-Stadt.