Debakel um US-Hedgefonds rückt Risikolust ins Rampenlicht
Das in der Finanzwelt ausgelöste Beben durch die Schieflage des US-Hedgefonds Archegos Capital wirft ein Schlaglicht auf die scheinbar unbegrenzte Risikobereitschaft von Anlegern. Auch wenn sich die Auswirkungen der Probleme des Hedgefonds bislang nur auf eine Handvoll von Aktien beschränkt haben, fürchten Experten weitere Folgen der exzessiven Lust am Risiko.
Das in der Finanzwelt ausgelöste Beben durch die Schieflage des US-Hedgefonds Archegos Capital wirft ein Schlaglicht auf die scheinbar unbegrenzte Risikobereitschaft von Anlegern. Auch wenn sich die Auswirkungen der Probleme des Hedgefonds bislang nur auf eine Handvoll von Aktien beschränkt haben, fürchten Experten weitere Folgen der exzessiven Lust am Risiko.
«Meine Vermutung ist, dass wir eine ganze Reihe dieser Beispiele sehen werden und wir werden in einigen Jahren darauf zurückblicken und sagen, dass dies eine Periode enormer Risikobereitschaft war, in der die Standards gesenkt wurden», fasst Andrew Beer von Dynamic Beta Investments zusammen.
Anzeichen gibt es viele dafür, dass die Stimmung in den vergangenen Monaten trotz Corona-Pandemie zu hoch gekocht ist. Da sind etwa die Kurskapriolen des US-Videospielehändlers GameStop. Konzertierte Käufe von Kleinanlegern bescherten dem Titel zeitweise ein Kursplus von mehr als 2000 Prozent. Der Risikohunger zeigt sich auch in der Bitcoin-Rally. Die älteste und wichtigste Cyber-Devise knackt einen Rekord nach dem anderen und peilt nun wieder den Sprung über die 60'000-Dollar-Marke an. Ein weiteres Anzeichen ist der Boom sogenannter SPACs, die als Unternehmenshülle ohne eigenes Geschäft allein das Ziel haben, ein anders Unternehmen durch eine Fusion an die Börse zu bringen.
Der Anteil von Aktien am Gesamtvermögen von Privathaushalten, Investmentfonds, Pensionsfonds und ausländischen Anlegern beläuft sich einer Studie von Goldman Sachs zufolge in den USA mittlerweile auf 50 Prozent und hat damit den höchsten Stand seit der Technologieblase vor zwei Jahrzehnten erreicht.
Viele Investoren nutzen mittlerweile die Hebelwirkung von Optionen, die jedoch nicht nur die Kursgewinne, sondern auch die Verluste deutlich verstärken können. Das Handelsvolumen mit Aktienoptionen schoss im vergangenen Jahr um 85 Prozent im Vergleich zu 2017 nach oben, wie Daten von Trade Alert zeigen.
Fast 51 Prozent der Privatanleger rechnen mit einem kurzfristigen Anstieg der Aktienkurse, verglichen mit einem historischen Durchschnitt von 38 Prozent, wie aus der jüngsten Umfrage der American Association of Individual Investors Sentiment hervorgeht. Viele Investoren begründen ihren Optimismus mit den beispiellosen Konjunkturhilfen in den USA sowie dem raschen Impftempo in der Corona-Pandemie. Die US-Währungshüter rechnen mittlerweile für dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von satten 6,5 Prozent, was sogar das Wachstumsziel Chinas übertreffen würde.
Die grenzenlose Zuversicht auf immer weiter steigende Aktienkurse droht Anleger leichtsinnig zu machen - vor allem beim Einsatz von Hebelprodukten, die mit geringem Kapitaleinsatz hohe Gewinne in Aussicht stellen.
Auch die Probleme von Archegos Capital könnten ein Beispiel für eine schiefgelaufene Hebelwirkung gewesen sein. Der Fonds kaufte einem Insider zufolge Derivate, die als Total Return Swaps bekannt sind und die es den Anlegern erlauben, auf Aktienkursbewegungen zu wetten, ohne die zugrundeliegenden Wertpapiere zu besitzen. Mit einem Vermögen von etwa zehn Milliarden Dollar hielt Archegos so Positionen im Wert von mehr als 50 Milliarden Dollar, sagte der Insider, der nicht genannt werden wollte.