Dürfen wir mit gutem Gewissen Benzin tanken?
Ums Öl wird seit Jahrzehnten gekämpft, aktuell gerade in Saudi-Arabien. Amnesty International fordert von der Branche mehr Transparenz.
Das Wichtigste in Kürze
- In Saudi-Arabien wurde eine Erdölraffinerie angegriffen.
- Wird Benzin und Diesel importiert, stammt es häufig aus Deutschland.
- Unsere Nachbarn im Norden beziehen ihr Rohöl grösstenteils aus Russland.
Letzte Woche wurde Saudi-Arabiens grösste Erdölraffinerie angegriffen. Noch herrscht viel Unklarheit. Doch der Vorfall macht wieder einmal deutlich: Öl ist ein Rohstoff, der aus Konfliktgebieten und Orten kommt, in denen Menschenrechtsverletzungen Alltag sind. Können wir da mit gutem Gewissen an der Zapfsäule tanken?
Nau hat die Frage Amnesty International gestellt. «Unsere Forderungen richten sich in erster Linie an Regierungen und Unternehmen, mehr zu tun, um die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten», sagt Sprecher Beat Gerber. Die Nichtregierungsorganisation wolle keine Autofahrer stigmatisieren.
Wer im Supermarkt eine Tomate kauft, kennt die Herkunft. An der Zapfsäule sieht das anders aus. Zwar deklariert die Erdöl-Lobby die Herkunftsländer im Jahresbericht, allerdings ist diese bei Fertigprodukten (also Benzin oder Diesel) wenig aussagekräftig.
Deutschland bezieht Rohöl aus Russland
Über 4 Millionen Tonnen stammen aus Deutschland – obwohl unser Nachbarland jährlich nur knapp über 2 Millionen Tonnen Öl fordert. Klar ist: Für Deutschland spielt Öl aus Saudi-Arabien nur eine untergeordnete Rolle. Unser grösster Lieferant von Öl-Treibstoffen bezieht das braune Gold primär aus Russland.
Amnesty kritisiert fehlende Transparenz der Unternehmen: «Wir glauben nicht, dass es für diese Branche schwieriger ist zu wissen, woher der von ihnen verwendete Rohstoff kommt als für andere Wirtschaftssektoren», sagt Gerber.
Im Frühjahr musste sich britisch-niederländische Ölmulti Shell in den Niederlanden wegen Menschenrechtsverbrechen in Nigeria verantworten. Der Vorwurf: Der Konzern soll in den 90er-Jahren die nigerianische Militärregierung bei der Verhaftung und Ermordung von Männern des Volkes der Ogoni unterstützt haben.
«Die Erfahrungen zeigen, wie unwillig dieser Sektor ist, wenn er mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert wird», erklärt Gerber. Nur selten würden betroffene Menschen eine Entschädigung erhalten. «Es ist immer noch allzu selten, dass Unternehmen ihre Rolle bei Menschenrechtsverletzungen anerkennen und Abhilfe schaffen.»
Auch Batterien problematisch
Auch alternative Antriebe sind nicht problemlos. «Wir dürfen nicht vergessen, dass es bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien zu grossen Problemen in der Lieferkette kommen kann, wie etwa Kinderarbeit im Kobaltbergbau in der Demokratischen Republik Kongo.»
Trotzdem: Amnesty fordert die Unternehmen auf, fossile Brennstoffe auslaufen zu lassen. Und stattdessen auf saubere und menschenrechtskonforme Energien überzugehen. «Es geht uns in erster Linie darum, das Bewusstsein für die Menschenrechtsfragen in der Branche zu schärfen, als den Konsumenten zu sagen, was sie tun sollen und was nicht.»