Emmen aus der Briefkastenperspektive

Gemeinde Emmen
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Emmen,

Die Emmer Eugen Huber und Albert Renggli nehmen uns mit auf eine postale Zeitreise

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Emmer Eugen Huber und Albert Renggli waren 45, respektive 46 Jahre als Pöstler in der Gemeinde Emmen im Einsatz.
  • Beim Gespräch nahmen sie einen mit auf eine postale Zeitreise.

Wieso man Halblegales schätzt

Vieles hat sich in der Gemeinde Emmen, aber auch im Postwesen über die letzten 50 Jahre hinweg getan, da sind sich die zwei pensionierten Pöstler Eugen Huber und Albert Renggli einig. Und doch haben sich einige Dinge gar nicht so stark verändert, wie häufig angenommen: So sei der Pöstlerberuf nach wie vor ein strenger, aber schöner und dankbarer Beruf. Dankbar deshalb, weil die Leute es noch heute schätzen, wenn man ihnen das Paket vor die Tür legt, statt einen Zettel in den Briefkasten zu werfen, der ihnen mitteilt, dass sie das Paket bei der nächsten Poststelle abholen sollen. "Wenn das auch nicht ganz den Vorschriften entspricht", wie die beiden pensionierten Pöstler mit einem Augenzwinkern bemerken. "Oder man hat früher auch ab und an mal etwas aus dem eigenen Sack bezahlt", weiss Huber. Der Kundenkontakt hat sich über die Jahre zwar verändert, war aber für die beiden Pöstler bis zu ihrer Pensionierung nach wie vor das Schönste am Beruf.

Von Siebenschläfern und Gummistiefeln

Streng ist der Beruf einerseits aufgrund der körperlichen Arbeit, andererseits aufgrund des frühen Aufstehens und Arbeitens. "Das ist nicht jedermanns Sache und garantiert nichts für Siebenschläfer", witzeln die beiden. "Und wetterfest muss man sein", mahnen die Pensionäre. Doch man gewöhne sich ans Wetter. Ausserdem hab sich die Qualität der Berufsbekleidung über die letzten paar Jahrzehnte hinweg stark verbessert. Deshalb sei es heute nur noch bei sehr starkem Regen nötig, eine zweite Regenjacke auf seine Tour mitzunehmen. "Das war früher noch ganz anders", erinnert sich Renggli. Nach wie vor ist starker Regen für den Pöstler nämlich das Schlimmste, denn so werden die auszuliefernden Briefe und Pakete nass. Und selbst die beste Regenmontur nützt dem Pöstler in Extremfällen, wie der unvergessenen Überschwemmung anno 2005 nichts. In solchen Fällen sind die Post und der Pöstler gleichermassen gefordert – der Pöstler mit seinen Gummistiefeln, die Post in ihrer Organisation.

Bellende Hunde und nette Kaffeeeinladungen

Es hat sich laut den Experten aber auch einiges verändert: So trug man früher noch die blaue Pöstleruniform. "Doch glücklicherweise ist man von dieser Farbe weggekommen, die Farbe scheint Hunde irgendwie aggressiv zu machen" verrät Huber lachend. Die Intensität der Körperarbeit hat dank der Automatisierung abgenommen. Trotzdem sollte der Beruf nicht unterschätzt werden, da die Pakete immer schwerer werden und nach wie vor körperlicher Einsatz erforderlich ist. "Das liegt aber nicht an den Zalando-Päckchen", belehrt Huber, "denn schwere Kataloge von Versandhäusern gab es schon viel früher". "Glücklicherweise sind mit dem Internet die schweren Telefonbücher obsolet geworden", ergänzt Renggli. Glücklich waren die beiden, als man sie auf den Touren mit einer Doppelbesetzung körperlich entlastete. Und heute arbeiten mehr und mehr Frauen auf dem Beruf, wissen die beiden. Der Zeitdruck hat über die Jahre bedeutend zugenommen. "Damals konnte ich viele nette Einladungen wegen der Hektik nicht wahrnehmen. Doch heute nehme ich die Einladungen zum Kaffee, die man mir dazumal versprach, gerne an", gibt Huber schmunzelnd zu.

Vom Küchentisch ins Internet

Auch die Beziehung des Pöstlers zur Emmer Bevölkerung hat sich gewandelt: Der Kundenkontakt ist heute seltener und anonymer geworden – das ist für beide Seiten schade, finden die pensionierten Pöstler. Das sei aber vor allem der Geschichte und der Lage der Briefkästen geschuldet, wissen die Experten: Früher befand sich der Briefkasten nämlich noch beim Hauseingang und auf dem Land fand man damals kaum Briefkästen, weshalb die Post auf dem Fenstersims oder Küchentisch deponiert wurde. Nicht selten wurde man als Pöstler sogar an den Tisch und auf ein feines Znüni eingeladen. Man war damals also schon rein räumlich gesehen der Bevölkerung näher. Damals wurden auch noch die AHV und das Milchgeld von der Post übermittelt. Ersteres freute die älteren Menschen dermassen, dass man mit dem Pöstler noch einen kurzen "Schwatz" abhielt. Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Pöstler wurde schon damals sehr geschätzt und führte dazu, dass man sich gegenseitig kleine Gefallen erwies – man hatte damals noch Zeit, einer älteren Dame den Kehrrichtsack die Treppe runterzutragen. Heute weiss der unter Zeitdruck stehende Pöstler oft gar nicht mehr, wer gerade aus der Haustür kommt. Die Bevölkerung spricht indes nur noch vom Pöstler und nicht mehr von der Person dahinter.

Von Ross und Wagen zum Drahtesel

Auch bezüglich der Mobilität hat sich viel getan: Was an Post ganz zu Beginn zu Fuss, dann in der Stadt mit Ross und Wagen und auf dem Land später mit dem Velo erledigt wurde, wird heute mit modernen Spezialfahrzeugen ausgeliefert. An die Zeit des Velo-Briefträgers erinnern sich die beiden Pöstler noch gut: "Mit dem Velo war man Ende der 60er jemand, denn ein Grossteil der Briefträger waren in Emmenbrücke zu Fuss unterwegs, weiss Huber. "Ich erinnere mich, wie ich mit dem Drahtesel mit den hohen Rädern über das holprige Flugplatzgelände gefahren bin – da musste man den Lenker fest im Griff haben und bei nassem oder kaltem Wetter besonders aufpassen", meint Renggli." Und als es die Autobahn noch nicht gab, war man in Emmen mit dem Velo als Briefträger auch schneller als die Paketpost mit ihrem Auto" erklären die beiden ehemaligen Briefpöstler spitzbübisch. Doch die zunehmende Mobilität führte auch zu mehr Verkehr, was die Pöstler enorm in der Effizienz ihrer Tätigkeit einschränkt.

Zentraler, grösser, schneller

Was ist im Wandel der Zeit sonst noch passiert? Aus der PPT entstand die Post und aus einer Post sind verschiedene Postorganisationen geworden (Briefpost, Paketpost und Verkauf) und man hat das gesamte Postwesen zentralisiert. Auch die Dimensionen haben sich vergrössert – heute bedienen zwei Poststellen (Sprengi und Emmencenter) über 30'000 Emmerinnen und Emmer. Es werden heute zwar weniger Briefe geschrieben und verschickt, doch dafür nimmt der Paketversand zu. Ausserdem hat sich die Zustellung auch inhaltlich verändert: Geldgeschäfte und Mehrfachzustellungen sind aufgrund der Digitalisierung seltener geworden. In den 70ern war Letzteres in Emmen noch gang und gäbe: Börseninformationen wurden noch von der Post übermittelt und grosse Firmen wie die "Viscosi", Von Moos, und Weber hatten damals noch keinen Telex, da musste man als Pöstler dann mehrmals pro Tag vorbei, um die neusten Informationen zu überbringen. "Man konnte sicher sein, dass wenn man vom Botengang zurück war, schon das nächste Telegramm für dieselbe Firma auf einen wartete – das war damals körperlich sehr anstrengend". Heute können die Pöstler aufgrund der Digitalisierung aufatmen – dank des Internets sind heute viele Informationen einfacher zugänglich. Das traditionelle Weihnachtspäckli von früher gibt es heute so nicht mehr. "Was die (Vor-)Weihnachtszeit aber nicht weniger streng macht", mahnen die beiden Pensionäre.

Auf die Abschlussfrage, ob der Pöstler wirklich zwei Mal klingle, antwortet Renggli, dass man es damals effektiv so gelernt habe, später das doppelte Klingeln aber von anderen – wahrscheinlich sehr ungeduldigen Menschen - imitiert worden sei, weshalb es heute nicht mehr als Pöstlermerkmal gelte.

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