Evergrande-Kollaps hätte nur wenig Einfluss auf die Schweiz
Die Krise um Evergrande hält den globalen Finanzmarkt in Atem. Ein Kollaps hätte auf die Schweiz aber nur wenig Einfluss.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Krise um die chinesische Immobilienfirma Evergrande spitzt sich weiter zu.
- Ein Kollaps hätte laut Experten jedoch nur wenig Einfluss.
China liegt weit weg. Und dennoch hält eine zwar grosse, aber überwiegend in China tätige Immobilienfirma derzeit Medien und Märkte weltweit in Atem. Evergrande, der zweitgrösste Immobilienentwickler des Landes ist in Schieflage geraten. Bei einem Kollaps dürften sich die Auswirkungen auf die Schweizer Banken und die Wirtschaft in Grenzen halten.
Evergrande hat Schulden von umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar angehäuft. Der Konzern muss diese Woche Zinszahlungen auf Obligationen von 84 Millionen Dollar leisten. Da viele Anleger befürchten, dass Evergrande den Verpflichtungen nicht nachkommen könnte, kam es vor allem bei Finanzwerten zu schon fast panisch anmutenden Verkäufen.
So gaben zu Wochenanfang die Aktien der Grossbanken Credit Suisse und UBS massiv nach. Am Dienstag kam es zu einer leichten Erholung. Der Schweizer Leitindex SMI, der am Montag deutlich im Minus notierte, legt nun ebenfalls leicht zu.
Gleichwohl kochen Erinnerungen an die Finanz- und US-Immobilienkrise von 2007/08 hoch. Damals war die traditionsreiche US-Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen und es kam zur schlimmsten Finanzkrise seit dem zweiten Weltkrieg.
Einen «Lehman Moment» erwarten die von AWP befragten Fachleute aber nicht. «Insgesamt ist es ein lokales Ereignis in China. Die Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft und die Schweizer Banken schätze ich deshalb als gering ein», sagt Thomas Stucki, Anlagestratege der St. Galler Kantonalbank.
Die schiere Grösse der Schulden von Evergrande erfordere aber, dass die Entwicklung eng verfolgt werden müsse.
Evergrande in «kontrolliertem Abrissprozess»
Nach Ansicht von Karsten Junius, Chefökonom der Privatbank J.Safra Sarasin, dürfte China einspringen, um eine Destabilisierung des Systems zu verhindern. Aber ohne Geräusche dürfte sich die Problematik nicht lösen lassen, wie auch die Reaktion der Finanzmärkte zeige.
Da China den Immobilienmarkt als überhitzt betrachte und bereits einige regulatorische Eingriffe vorgenommen habe, dürfte Evergrande Chinas Regierung nicht überrascht haben, sagt Junius. «China dürfte daher eine gewisse Vorstellung haben, wie es mit Evergrande weitergehen soll.»
Evergrande befinde sich «in einem kontrollierten Abrissprozess», meint Samy Chaar, Chefvolkswirt von Lombard Odier. Die Folgen dürften in erster Linie gesamtwirtschaftlicher Natur sein. China habe in der ersten Hälfte des Jahres 2021 ein sehr starkes Wachstum verzeichnet und dies werde sich etwas abschwächen. Dies werde sich auf andere Länder auswirken, so Chaar.
Dies dürfte Einfluss auf Schweizer Unternehmen haben. Vor allem die Hersteller von Luxusgütern, für die China ein immens wichtiger Markt ist, dürften darunter leiden. Eine Abschwächung der Bautätigkeit würde wiederum Firmen wie dem Lift- und Rolltreppenhersteller Schindler zu schaffen machen.
Einfluss auf Schweizer Banken hält sich in Grenzen
Dagegen sei der Einfluss auf Schweizer Banken limitiert, sagt Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen Schweiz. Auf der Kreditseite gebe es seines Wissens kein Exposure von UBS oder CS. UBS und CS kommentierten dies nicht im Detail. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg soll UBS Evergrande-Bonds in der Höhe von 275,7 Millionen Dollar halten.
Laut Stucki sind in erster Linie Banken und Anlagevehikel in China involviert, dessen Kapitalmarkt für Ausländer nur beschränkt zugänglich sei. Die grossen Schweizer Banken dürften nicht direkt über Kredite in Evergrande involviert sein, sondern über ihre Hochzins-Anlagefonds.
«Wenn die Fonds ihre Aufgabe richtig gemacht haben und die Schuldnerrisiken diversifiziert wurden, werden die Verluste in diesen Produkten überschaubar bleiben», sagt Stucki