EZB erhöht Zins: Nationalbank zieht wohl bald nach
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern ihren Leitzins erhöht. Dies wurde von Ökonomen erwartet. Dass die SNB nachzieht, wird ebenfalls angenommen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Europäische Zentralbank hat ihre grösste Zinserhöhung hinter sich.
- Dieser Schritt gegen die Inflation war absehbar, kommentieren Ökonomen.
- Auch hierzulande wird im Dezember eine nächste Erhöhung des Leitzinses erwartet.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern angekündigt, den Euro-Leitzins um 0,75 Punkte anzuheben. Ein historischer Schritt, der aufgrund der schlimmer als erwartet gewordenen Inflation getätigt wurde. Bald könne schon der nächste Erhöhungsschritt erfolgen, teilte der EZB-Rat zudem mit. Denn die Inflation dürfte im Euroraum noch weiter steigen.
Die Prognosen bleiben – mindestens in der Eurozone – düster. Laut EZB könnte die Teuerungsrate im Winter auf 8,1 Prozent klettern und 2023 auf 5,5 Prozent verweilen. Auch das BIP soll nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent anstatt 2,1 Prozent verzeichnen.
EZB: Weitere Zinserhöhungen im Oktober & Dezember
Nau.ch hat bei der Zürcher Kantonalbank nachgefragt: Was bedeutet das für die Schweiz? Und was kann Ende Jahr in Sachen Geldpolitik erwartet werden?
Martin Weder, Leiter Economic Research bei der ZKB, hält die Leitzinserhöhung für das Image der EZB als wichtig: «Sie signalisiert, dass die Notenbank bestrebt ist, ihre angeschlagene Glaubwürdigkeit und die Preisstabilität in der Währungsunion wieder herzustellen.»
Die Europäische Zentralbank liege aber verglichen mit anderen Notenbanken «immer noch weit im Hintertreffen». Deswegen rechnet Weder mit weiteren Zinserhöhungen im Oktober und Dezember, «von je mindestens 50 Basispunkten».
In einem Punkt sind sich die ZKB-Experten und der EZB-Rat aber uneinig: Die Zentralbank erwartet keine Rezession im Winter, Weder hingegen schon: «Dafür sprechen die miserable Konsumentenstimmung, die deutliche Eintrübung in der Industrie und die stark gestiegenen Gas- und Strompreise.»
Es sei jedoch fraglich, ob eine Rezession ausreichen würde, um dem Teuerungsdruck entgegenzuhalten. Denn der Anstieg der Inflation könne grösstenteils auf Faktoren zurückgeführt werden, die nicht von der Notenbank beeinflusst werden könnten.
Handlungsbedarf in Schweiz «nicht so akut wie in Eurozone»
Der Chefökonom der ZKB, David Marmet, sagt einen Nachzug der Schweizerischen Nationalbank (SNB) voraus. Allerdings sei der Handlungsbedarf hierzulande mit einer Inflationsrate von 3,5 Prozent «bei weitem nicht so akut wie in der Eurozone». Ihre «Geldpolitik ‹der ruhigen Hand›» werde die SNB wohl weiterführen.
«Wir erwarten, dass sie am 22. September den Leitzins erneut um 50 Basispunkte anheben wird», so Marmet weiter. Dadurch dürfte die Frankenaufwertung gebremst werden. Sollte der Franken jedoch abgewertet werden, könne die SNB «Teile ihrer exorbitant gestiegenen Devisenreserven» veräussern.
Und auch im Dezember rechnet der Chefökonom mit einem weiteren 50-Punkte-Anhebeschritt, womit der SNB-Leitzins 2023 auf ein Prozent ansteigen könnte. Danach erwartet David Marmet eine Zinspause, so wie im Euroraum.