Staat

Hat der Staat CO2-Schlaumeiereien der Autoimporteure toleriert?

Michael Bolzli
Michael Bolzli

Bern,

Mit Tricks haben Importeure die CO2-Sanktionen umgangen. Die Strassenverkehrsämter haben jahrelang mitgemacht.

Autoimporteur
Autoimporteure müssen in die Taschen greifen, wenn sie Spritschlucker importieren. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Autoimporteure haben über eine Import-Schlaumeierei CO2-Sanktionen umgangen.
  • Laut einem Branchenkenner wurde die Methode jahrelang toleriert.

Der Bund will die Schweizer Fahrzeugflotte auf Effizienz trimmen. Darum hat er CO2-Ziele für Autoimporteure eingeführt. Werden die Zielwerte überschritten, werden die Importeure zur Kasse gebeten.

Es geht um viel Geld: Letztes Jahr beliefen sich die Sanktionen für die Branche auf insgesamt 78 Millionen Franken. Um die Strafzahlungen zu umgehen, gaben sich einige Importeure besonders kreativ.

Das lief so ab: Der Importeur führt das Auto als Nutzfahrzeug ein, weil damit die CO2-Sanktionen entfallen. Dazu müssen allerdings Rückbank und Gurte entfernt werden. Nach dem Import wird das Fahrzeug zurückgebaut und als Personenwagen zugelassen. Ein Aufwand, der sich gerade bei grossen Spritschluckern lohnt.

Jeep Wrangler
Der Jeep Wrangler ist kein Sparwunder. - Keystone

Das zeigt das Beispiel Jeep Wrangler 3,6: Wer 2019 den US-Geländewagen importierte, musste über 12'000 Franken CO2-Sanktionen zahlen. Rund 3500 Franken kostet der Umbau zum Nutzfahrzeug – unter dem Strich holt der Importeur mit der Umwandlung also pro Auto 8500 Franken raus.

Methode funktioniert nur bei wenigen Autos

Allerdings funktionierte das nur bei wenigen Fahrzeugtypen. Gemäss dem Bundesamt für Energie (BFE) wurde letztes Jahr eine «tiefe dreistellige Zahl» an Fahrzeugen mit diesem Trick importiert. Zum Vergleich: Insgesamt wurden schweizweit 311'466 Neuwagen zugelassen.

Trotzdem ergriff Ende 2019 das BFE Massnahmen. In einem Brief an Importeure, der Nau.ch vorliegt, schreibt das Amt, man habe «vermehrt mutmasslich rechtsmissbräuchliche Aktivitäten» festgestellt. Die Konsequenz: Fahrzeuge würden dieses Jahr gemäss ihrer Nutzung berücksichtigt, «auch wenn die Erstinverkehrssetzung in einer anderen Kategorie erfolgte».

Die mit der Methode importierten Spritschlucker wurden der CO2-Bilanz angerechnet. Wäre der Brief Mitte des Jahres reingeflattert, hätten die Händler den CO2-Ausstoss mit dem Import von E-Autos kompensieren können. Doch das BFE schickte den Brief erst am 17. Dezember, eine Reaktion war fast unmöglich.

Strassenverkehrsamt
Immer mehr Autofahrer lassen ihr Kennzeichen sperren. - Keystone

Der Zeitpunkt überrascht auch aus einem anderen Grund: Seit diesem Januar werden auch Nutzfahrzeuge für die CO2-Sanktionen berücksichtigt, allerdings mit einem höheren Grenzwert. Warum hat das Amt den Brief erst gegen Jahresende verschickt?

BFE weiss erst seit 2019 davon

«Das BFE war in der zweiten Jahreshälfte 2019 auf die Vorgänge aufmerksam geworden», sagt Sprecherin Brigitte Mader. «Eine frühere Kommunikation war aufgrund umfangreicher Abklärungen nicht möglich.»

Ob das Verhalten der Importeure tatsächlich rechtsmissbräuchlich war, untersucht das Amt aktuell. Viele Fragen bleiben aus diesem Grund unbeantwortet.

Der Fokus der Untersuchung liegt auf dem Jahr 2019. Gemäss Nau.ch-Informationen wurde die Import-Methode wohl seit 2012 genutzt – jeweils in ähnlichem Umfang wie letztes Jahr. Und ohne, dass die Behörden eingegriffen hätten.

Im Gegenteil: Einige Strassenverkehrsämter hätten jahrelang mitgemacht, sagt ein Brancheninsider. Die Kategorieänderungen seien oft am selben Tag durchgeführt worden. Heisst: Erst wurde das Auto als Nutzfahrzeug importiert, gleichentags umgebaut und dann als Personenwagen zugelassen. Die Strassenverkehrsämter dürften sehr wohl gewusst haben, wie der Hase läuft.

Simonetta Sommaruga
Bundesrätin Simonetta Sommaruga. - Keystone

Dass die Gesetzeslücke dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) ebenfalls bekannt war, zeigen Auszüge einer Präsentation vom Juni 2012, welche Nau.ch vorliegen. Damals hat das Bundesamt die Importeure über die neue CO2-Abgabe informiert.

Astra unterstützt Untersuchung

Während dem Workshop wurden wichtige Fragen in einem FAQ behandelt. Darunter: «Wird die CO2-Sanktion nachbelastet, wenn ein Fahrzeug zuerst als Nutzfahrzeug zugelassen und dann, nach einiger Zeit, zum Personenwagen umgeschrieben wird?» Die Antwort: Nein! «Für die Sanktionen ist die erste Inverkehrsetzung massgebend. Es besteht in dem Sinn keine Sperrfrist für die Umteilung.»

Ein Freipass, die CO2-Sanktionen zu umgehen? Stuft das Astra – anders als das BFE – die Import-Schlaumeierei also nicht als widerrechtlich ein? Diese Fragen lässt Sprecher Thomas Rohrbach unbeantwortet. Man toleriere keine illegale Vorgehensweise und unterstütze die Untersuchung des BFE vollumfänglich, sagt er.

E-Auto
Mit E-Autos können Importeure ihre CO2-Bilanz aufhübschen. - dpa-infocom GmbH

«Solche Umwidmungen sind nicht neu, die Möglichkeit bestand schon lange vor dem Juli 2012», ergänzt Rohrbach. Wichtig sei dabei, dass sämtliche Umwidmungen sachlich begründet vorgenommen würden. «Das gilt für alle Fahrzeuge, nicht nur für Neuwagen, sondern auch für Occasionen. So ist es nicht unüblich, aus einem älteren Liefer- oder Personenwagen ein Wohnmobil zu bauen.»

Das Kapitel mit den Personenwagen, welche plötzlich Nutzfahrzeuge werden, ist sowieso noch nicht abgeschlossen. Letzte Woche wurde bekannt, dass Suzuki den kleinen Geländewagen Jimny ab kommendem Jahr nicht mehr als Auto, sondern als leichtes Nutzfahrzeug verkaufen wird – ohne Rückbank. Schlaumeier ist in diesem Fall nicht der Importeur, sondern gleich der Hersteller.

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