Ist 100 Prozent Bio-Landwirtschaft eine Illusion?
Das Wichtigste in Kürze
- Geht es nach den Jungen Grünen, so ist die Schweizer Landwirtschaft 2030 komplett bio.
- Gemäss dem FiBL würde somit der Nutztierbestand merklich sinken.
Letzte Woche haben die Jungen Grünen ihr neues Parteiprogramm präsentiert. Darin fordern sie unter anderem, dass bis 2030 in der Schweiz nur noch Bio-Landwirtschaft betrieben wird. Auch für importierte Lebensmittel soll ein 100-prozentige Bio-Quote gelten.
Wie eine reine Bio-Landwirtschaft in der Schweiz aussehen würde? Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) liefert Antworten.
Rechnungen des Instituts zeigen: Weil Bio-Landwirtschaft weniger ertragreich ist, würde die Kalorienproduktion in der Schweizer Landwirtschaft um ein Viertel zurückgehen. Die Protein- und Fleischproduktion ginge um jeweils 23 Prozent zurück, die Milchproduktion um 18 Prozent.
Konsumverhalten müsste sich ändern
Aktuell werden rund 50 Prozent der Nahrungsmittel importiert. Will die Schweiz komplett auf Bio-Landwirtschaft umstellen und den Selbstversorgungsgrad nicht reduzieren, müsste das Konsumverhalten geändert werden.
Was für viele der grösste Einschnitt wäre: weniger Fleisch zu essen. Hätte die Schweiz eine reine Bio-Landwirtschaft gäbe es 8 Prozent weniger Kühe, 22 Prozent weniger Schweine und 31 Prozent weniger Hühner. Unter dem Strich ginge die inländische Fleischproduktion um 23 Prozent zurück.
«Natürlich könnte die geringere Fleischproduktion über Importe aus dem Ausland kompensiert werden», sagt Matthias Stolze, Abteilungsleiter Departement für Sozioökonomie beim FiBL. «Damit würde man aber die negativen Umweltwirkungen ins Ausland exportieren.»
Mehr Platz für Soja und Weizen
Auch die Produktion müsste angepasst werden, um die Einbusen zu kompensieren. «Die Kraftfutter- und Futtermaisproduktion müsste zurückgehen, damit auf diesen Feldern Nahrungsmittel wie Soja und Weizen angebaut werden können», erklärt Stolze. Und auf den Export von Milch und Fleisch sollte verzichtet werden.
Sowieso sollte der Foodwaste reduziert werden – immerhin landet heute mehr als jedes dritte Lebensmittel im Müll. «Eine Reduktion hat ein grosses Potenzial, Raum zu schaffen für extensivere Methoden mit tieferen Erträgen, wie Bio.»
Der Königsweg wäre die Kombination von mehr Bio, weniger Foodwaste und weniger tierischen Produkten, findet Stolze. «Dies erlaubt ein nachhaltiges Ernährungssystem und da sind die Produzenten und Konsumenten gleichermassen in die Pflicht zu nehmen.»
EU-Bauern würden sich freuen
Und wie sieht es mit den Importen aus? Hierzu forscht das FiBL zwar nicht. Doch Stolze glaubt, dass der Schweizer Markt aufgrund hoher Lebensmittelpreise für EU-Landwirte sehr attraktiv sei. «Daher könnte man eine Ausdehnung der Bio-Produktion in Europa erwarten.»
Allerdings stellen sich rechtliche Fragen. «Wahrscheinlich wäre ein Importverbot auf Nicht-Bio-Lebensmittel nicht WTO-konform.»
Die Forderung der Jungen Grünen nach einer 100-prozentigen Bio-Landwirtschaft ist machbar. Ob die Konsumenten mitziehen, steht auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall davon profitieren würde die Umwelt. Alleine die Treibhausgase gingen um 13 Prozent zurück.