Nachhaltige Baumaterialien sind am Markt noch wenig gefragt
Es gibt nachhaltigere Alternativen zu herkömmlichen Baustoffen. Obwohl sie weniger CO2 verursachen, sind sie am Markt nicht gefragt.
Das Wichtigste in Kürze
- Baustoffe sind für einen Grossteil des CO2-Ausstoss verantwortlich.
- Konzerne wie Holcim versuchen die Produktion dementsprechend anzupassen.
- Der Markt ist jedoch nicht an nachhaltigen Bauweisen interessiret.
Wo heute gebaut wird, kommen in der Regel Beton und Zement zum Einsatz. Die Baustoffe haben sich über die Jahre bewährt, doch ihre Klimabilanz ist schlecht. Bei den Herstellern ist das Problem bekannt.
Der Baustoffkonzern Holcim will die Umweltbelastung seiner Produkte kontinuierlich senken. Er ist der mit Abstand grösste CO2-Emittent im Swiss Market Index. Bis 2050 peilt das Unternehmen das Netto-Null-Ziel an.
Wie soll das gehen? Drei Viertel des CO2-Fussabdrucks von Holcim entstehen während der Produktion. Entsprechend passt der Konzern seine Produkte an.
Angebote mit weniger CO2 bestehen schon
Heute bietet das Unternehmen mit «EcoPact» einen Beton an, der mindestens 30 Prozent weniger Treibhausgase verursacht. Das geschieht unter anderem durch die Beimischung von Bauschutt und wiederverwendeten Baustoffen.
Auch einen CO2-reduzierten Zement hat der Baustoff-Riese im Angebot. In der Schweiz sind solche Produkte schon länger zugelassen, in der EU dauert es noch bis 2023. Dennoch erhofft sich der Baustoffkonzern ein starkes Wachstum mit «grünen» Produkten.
Das Potenzial für Recyclingbaumaterialien ist vorhanden. Jährlich entstehen alleine in der Schweiz 7,5 Millionen Tonnen Bauabfall - also rund doppelt so viel wie Siedlungsabfall. Noch grösser ist das Recyclingpotential beim Aushubmaterial.
Markt wenig interessiert
Am Markt scheint das noch nicht richtig angekommen zu sein. Implenia weist die Kundschaft zwar auf die nachhaltigeren Baustoffe hin, doch das Interesse ist gering - auch wegen technischer Hürden. «Bei Recycling-Beton ergeben sich teilweise Probleme bei den Materialeigenschaften», sagt Sprecherin Ulli Janett.
Beim Zement läge die Herausforderungen eher beim Preis und der Verfügbarkeit. Denn je nach Lieferant ist Recycling-Zement bis drei Franken pro Kubikmeter teurer. «Was dazu führt, dass die meisten Kunden momentan darauf verzichten.»
Bei Konkurrent Marti klingt es ähnlich. «Die meisten Bauherren sind sehr preissensitiv», erklärt Jürg Pfluger, Projektleiter technische Direktion. Nachhaltige Baustoffe seien darum sehr selten gefragt. «Mit dem politischen Druck dürfte die Nachfrage aber zunehmen.»
Umdenken gefordert
ETH-Forscher Guillaume Habert, Professor für nachhaltiges Bauen, fordert ein Umdenken. Bauunternehmen sollen einerseits beim Design ansetzen: «Betonstrukturen lassen sich zum Beispiel so optimieren, dass insgesamt weniger Beton benötigt wird», so der Professor. Eine weitere Massnahme betreffe die Grösse der Fensterfläche. «Eine Mauer - egal aus welchem Material - wird in der Herstellung immer weniger CO2 ausstossen als ein Fenster.»
Andererseits sei der Materialmix entscheidend: «Hier gilt es, mehr wiederverwendetes Material in den Gesamtmix einfliessen zu lassen», meint Habert weiter. Dadurch liessen sich die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren. Statt Glas, Stahl und Beton sei der vermehrte Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen sinnvoll. Für Dämmung und Isolation biete sich etwa Stroh statt Polystyrol an.
Der ETH-Forscher geht davon aus: Alleine durch die Nutzung von Synergien über die ganze Wertschöpfungskette liessen 50 Prozent Treibhausgasemissionen einsparen. Das bedeutet vom Zementhersteller über den Architekten bis zur Abbruchfirma: «Alle Akteure müssen dafür eng zusammenarbeiten.»