Nächste Zinssenkung durch SNB scheint gesetzt
Die Experten sind sich einig: Der neue SNB-Präsident Martin Schlegel wird bei seinem ersten Zinsentscheid die Zügel weiter lockern.
Die nächste Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) am Donnerstag gilt als gesetzt. Offen ist dagegen die Frage, wie stark die Zinsen fallen werden. Und auf mittlere Sicht schliessen einige Experten auch eine Rückkehr von Negativzinsen nicht aus.
Die Experten sind sich einig: Der neue SNB-Präsident Martin Schlegel wird bei seinem ersten Zinsentscheid die Zügel weiter lockern. Schliesslich habe die SNB bereits im September vorgespurt und erklärt, dass weitere Zinssenkungen erforderlich werden könnten. Schlegel hatte die Aussage danach mehrfach wiederholt.
Die Mehrheit der von AWP befragten Ökonomen (14 von 17) geht derzeit von einem «normalen» Zinsschritt in Höhe von 25 Basispunkten (BP) aus. Also dass der SNB-Leitzins auf 0,75 Prozent sinken wird. Gleichzeitig gibt es einige Experten, die sich auch einen grossen Schritt von dann gleich 50 BP auf 0,50 Prozent vorstellen können.
Die ZKB allerdings erachtet ein forscheres Vorgehen bei der aktuellen Situation nicht als zweckdienlich. Denn derzeit deuteten die konjunkturellen Frühindikatoren auf ein «ansehnliches» Wirtschaftswachstum in der Schweiz hin – und das trotz der Schwächephase in Deutschland. Und die Kerninflation «liege mehr oder weniger» in der Mitte des Zielbandes der SNB, das 1 bis 2 Prozent beträgt.
Ähnlich argumentiert auch die UBS. Die SNB habe ihren Leitzins typischerweise nur dann um mehr als 25 BP gesenkt, wenn der Aufwertungsdruck auf den Franken besonders hoch oder die Preisstabilität bedroht war. Es gebe zudem keine Anzeichen für eine schnelle Verschlechterung der Schweizer Wirtschaft. Kein Grund also für die SNB, ihr verbliebenes Pulver zu verschiessen.
Die Experten von Capital Economics erwarten ebenfalls eine Senkung um lediglich 25 Basispunkte. Sie gehen aber gleichzeitig davon aus, dass die SNB ihre Zinsprognose ein weiteres Mal nach unten anpassen wird und auch explizit weitere zu erwartende Lockerungen ankündigen wird.
Ökonomen der Bank Syz erwarten einen Schritt um 50 BP
Es gibt aber auch Analysten, die die Möglichkeit eines grossen Zinsschritts nicht nur in Betracht ziehen, sondern sogar für die bessere Lösung halten. Dazu gehören etwa die Ökonomen von Sarasin.
Das Argument bei Sarasin: Da derzeit Devisenmarktinterventionen offenbar nicht das Mittel der Wahl seien und die jüngsten Aussagen vom SNB-Direktorium die Märkte bereits klar auf Zinssenkungen vorbereitet hätten und somit verbale Lockerungen ziemlich ausgeschöpft seien, bleibe der Nationalbank nur der Leitzins als starkes Mittel zur Steuerung der Geldpolitik.
Zwar wäre eine Senkung um lediglich 25 BP der «normale» Weg, findet auch Sarasin. Das sei allerdings kein Argument dafür, nichts oder zu wenig zu tun. Und nur weil der SNB weniger «Munition» zur Verfügung stehe als der EZB, müsse sie diese nicht zwingend für später aufheben.
Vielmehr solle die SNB ihre verfügbaren Mittel «möglichst effizient» einsetzen. Zudem würde ein grosser Schritt die SNB «mutiger» erscheinen lassen und ähnlich wie die überraschende Zinssenkung vor Fed und EZB im Frühjahr den gewünschten Effekt haben.
Die Ökonomen der Bank Syz erwarten ebenfalls einen Schritt um 50 BP und begründen dies unter anderem so: Die EZB werde ihren nächsten Zinsentscheid nur wenige Stunden nach der SNB kommunizieren und dabei wohl eine Senkung um mindestens 25 oder gar 50 Basispunkte und weitere Lockerungen in den Monaten danach ankünden. Mit einem grossen Schritt könnten Schlegel und sein Team also sicherstellen, dass der Franken nicht übermässig gegenüber dem Euro aufwerte.
Negativzinsen seien mittelfristig nicht auszuschliessen
Einig sind sich derweil alle Ökonomen, dass unabhängig von der Höhe der anstehenden Senkung weitere Schritte im kommenden Jahr 2025 folgen werden. Auch Negativzinsen seien mittelfristig nicht auszuschliessen.
Das habe SNB-Präsident Schlegel bereits durchklingen lassen, merkt Sarasin an. Für einen solchen Schritt müsse aber die Schweizer Wirtschaft in eine Rezession abrutschen, der Franken signifikant aufwerten und die Inflation in negatives Terrain fallen. All dies sei derzeit nicht das «Basis-Szenario», so der Tenor der Experten.
Doch auch da gibt es Gegenstimmen: «Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir eine etwas grössere Wahrscheinlichkeit, dass der SNB-Leitzins auf Ende 2025 unter null steht als darüber», heisst es etwa bei Vontobel.
Denn die SNB wolle das Instrument des Leitzinses wohl voll ausschöpfen, um nicht zu stark wieder am Devisenmarkt gegen eine zu schnelle Aufwertung des Schweizer Frankens intervenieren zu müssen. Letzteres würde laut den Vontobel-Experten nämlich auch die Gefahr bergen, dass die neue US-Regierung unter Donald Trump die Schweiz wieder als «Währungsmanipulator» anprangern könnte.