Regierung will schärfer gegen Missbrauch von Abmahnungen vorgehen
Die Bundesregierung geht stärker gegen den Missbrauch von Abmahnungen vor.

Das Wichtigste in Kürze
- Anwälte kritisieren Gesetzentwurf zum Abbau finanzieller Anreize zum Abmahnen.
Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf aus dem Justizministerium, der die Anforderungen erhöht, urheberrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Wirtschaftsverbände dürfen demnach künftig nur noch abmahnen, wenn sie vom Bundesamt für Justiz überprüft wurden und auf einer Liste der klagebefugten Verbände stehen, wie es von Seiten der Regierung hiess.
Ausserdem sollen die finanziellen Anreize für Abmahnungen eingedämmt und Gegenansprüche einfacher geltend gemacht werden können. So soll Akteuren, denen es bei Abmahnungen ums Geld verdienen geht, das Handwerk gelegt werden. Wird der Gesetzentwurf auch vom Parlament beschlossen, können Abmahnende keinen Aufwendungsersatz mehr bei der Abmahnung von online begangenen Verstössen gegen gesetzliche lnformations- und Kennzeichnungspflichten verlangen.
Darüber hinaus ist der Aufwendungsersatz bei der Abmahnung von kleinen Unternehmen sowie vergleichbaren Vereinen wegen Verstössen gegen Datenschutzverstösse ausgeschlossen. lm Fall der Erstabmahnung kann auch keine Vertragsstrafe vereinbart werden.
Die Bundesregierung hatte den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, nachdem zahlreiche Verbände bei der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vor einer Abmahnwelle gewarnt hatten.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte: «In der Praxis waren Anknüpfungspunkt von Abmahnungen in jüngster Zeit oft - vermeintliche - Verstösse gegen die Datenschutzgrundverordnung auf Unternehmenswebseiten. Dies hat zu grosser Verunsicherung bei den Unternehmen geführt.»
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) widerspricht: «Was die DSGVO angeht, ist die vielfach prognostizierte Abmahnwelle übrigens ausgeblieben.»
Der Verein stört sich insbesondere daran, dass die abmahnenden Unternehmen ihren Konkurrenten die Anwaltskosten nicht mehr in Rechnung stellen dürfen. «Wer sich als Mittelständler anwaltliche Hilfe sucht, um gegen Gesetzesverstösse der Konkurrenz vorzugehen, würde damit auf eigene Gefahr handeln - mit dem Risiko, auf den Kosten der Abmahnung sitzen zu bleiben», erklärte DAV-Präsidentin Edith Kindermann.
«Es ist völlig unverständlich, warum der Gesetzgeber einerseits den Verbraucherschutz durch strenge gesetzliche Auflagen stärkt, zugleich jedoch Verstösse als Bagatellen abtut und Abmahnungen - insbesondere damit beschäftigte Anwältinnen und Anwälte - pauschal unter Missbrauchsverdacht stellt», kritisierte Kindermann weiter.
Auch die Unternehmen selbst sind mit dem Gesetzentwurf nicht glücklich: Es sei zwar ein «guter erster Schritt», wenn Klein- und Kleinstunternehmen zumindest von den Kosten möglicher Abmahnungen befreit würden, erklärte der Chefjustiziar des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Stephan Wernicke, dem «Handelsblatt». «Gleichwohl wäre den Unternehmen eine eindeutige Regelung lieber, wonach Datenschutzverstösse nicht durch Wettbewerber abmahnfähig sind».
Die Alternative dazu wäre laut dem DAV aber eine Aufsichtsbehörde, die Verstösse verfolgt.
Die Einsparungen für die Wirtschaft durch die Reform sind jedenfalls überschaubar: «Durch die Senkung missbräuchlicher Abmahnungen im Wettbewerbsrecht um 50 Prozent wird die Wirtschaft voraussichtlich um 860.000 Euro entlastet», steht im Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums.