Salzgitter: «Sehr anspruchsvolles zweites Halbjahr» am Stahlmarkt
Die gestiegenen Stahlpreise haben dem Salzgitter-Konzern zuletzt hohe Gewinne eingebracht - der weitere Jahresverlauf könnte nach Einschätzung der Führung aber unsicherer werden. «Zurzeit fallen die Märkte wieder, anders als bei Rohstoffen», sagte Vorstandschef Gunnar Groebler auf der Hauptversammlung am Donnerstag. «Wir bereiten uns darauf vor, dass wir ein sehr anspruchsvolles zweites Halbjahr 2022 sehen werden.»
Das Wichtigste in Kürze
- Sprünge der Rohmaterial- und Energiekosten habe man durch Sicherungsgeschäfte teils abmildern können.
Kohle- und Erzlieferungen für Salzgitter seien infolge des Ukraine-Kriegs kaum berührt. «Natürlich gibt es aber indirekte Effekte wie die Strom- und Gaspreise oder unsichere Absatzmärkte», sagte Groebler. «Diese Effekte sind spürbar, aber wir können uns als Unternehmen darauf einrichten.» Die Erdgasmengen seien bis Ende 2026 gesichert.
Salzgitter wolle sich als zweitgrösster deutscher Stahlhersteller daran beteiligen, mehr Unabhängigkeit von russischen Rohstoffen zu erreichen. «Ein Weg dazu sind LNG-Terminals. Wir produzieren bereits die Rohre, durch die das Gas fliessen wird», sagte Groebler zur Anbindung der Aufnahmestelle für Flüssigerdgas in Wilhelmshaven.
Die eigene Energieversorgung werde hoffentlich nicht gefährdet. «Wenn wir vor einem abrupten Ende der Gaslieferungen (aus Russland) ausgehen müssten, hätte das Auswirkungen auf die Salzgitter AG.» Es sei jedoch schwer vorherzusagen, welchen genauen Umfang diese hätten. Die grössten Erdgasverbraucher des Konzerns befänden sich in Niedersachsen und würden durch Pipelines aus Norwegen und den Niederlanden sowie niedersächsischen Gasfeldern versorgt.
Insgesamt geht der Konzern 2022 von weiteren Umsatz- und Ergebniszuwächsen aus. Die Erlöse könnten sich bei 11 Milliarden Euro einpendeln. 2021 wurden 9,8 Milliarden Euro erzielt, der Nettogewinn landete bei 586 Millionen Euro. Die Aktionäre bekommen 75 Cent pro Anteilsschein - es ist die höchste Ausschüttung seit 2008.
Salzgitter will seine Stahlproduktion schrittweise von Kokskohle auf Wasserstoff umstellen. Dabei entsteht neben dem Roheisen Wasserdampf statt Kohlendioxid, was die Klimabilanz deutlich verbessern kann. Ab diesem Sommer soll eine erste Anlage dazu in Betrieb gehen. Ein erster Hochofen soll dann 2026 stillgelegt werden.
Der nötige Wasserstoff muss mithilfe von Ökostrom aus Wasser oder Ammoniak gewonnen werden, damit die CO2-Minderung insgesamt gelingt. Hierzu hat sich Salzgitter etwa mit dem dänischen Windenergiekonzern Ørsted zusammengetan. «Es gilt für uns, beide Energieformen zu sichern: grünen Strom und grünen Wasserstoff», sagte Groebler. Ab 2026 möchte der Konzern den ersten «grünen» Stahl liefern.
Ausserdem wolle man eine eigenständige Gesellschaft bleiben - mehrfach hatte es Gerüchte über eine mögliche Fusion mit dem deutschen Branchenprimus Thyssenkrupp gegeben. Der Bau- und Rohstoffunternehmer Günter Papenburg, dessen Stimmrechte inzwischen die Schwelle von einem Viertel erreichen, hatte im Mai erklärt: «Wir streben keine wesentliche Änderung der Kapitalstruktur der Salzgitter AG an.» Man wolle aber «gegebenenfalls Einfluss auf die Besetzung weiterer Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane» nehmen.
Die Aktionäre stimmten allen Beschlussvorlagen mehrheitlich zu. Bei vielen Beschäftigten der Salzgitter AG hingegen herrscht derzeit Unmut. Rund 3000 Angestellte nahmen am Mittwoch an Warnstreiks teil. Im Tarifkonflikt der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie fordern sie unter anderem 8,2 Prozent mehr Lohn.