Schweiz muss laut Wirtschaft mehr tun für inländische Arbeitskräfte
Die Zahl der inländischen Arbeitskräfte verringert sich in der Schweiz bis 2035 um 297'000 Vollzeit-Beschäftigte. Das haben Schweizer Wirtschaftsverbände berechnet. Sie fordern Gegenmassnahmen – von der Wirtschaft selbst, aber auch der Politik.
Der Grund für den Rückgang ist laut einem am Donnerstag veröffentlichten Arbeitspapier des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV) und des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse die Bevölkerungsentwicklung: Viele Personen aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1960-er Jahre gehen in Pension. Relativ wenig neue Arbeitskräfte rücken nach.
Zum Erhalt der guten Wirtschaftslage in der Schweiz fordern die beiden Verbände nun, dass die Unternehmen ihre Arbeitsbedingungen verbessern. Beispielsweise gelte es, zu Gunsten von älteren Arbeitnehmenden neue Arbeitsmodelle einzuführen. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen attraktiver machen.
Die beiden Verbände sagen auch, dass die Schweiz ihren Fach- respektive Arbeitskräftemangel ohne ausländische Arbeitnehmende nicht werde beheben können. Laut SAV und Economiesuisse fehlen der Schweiz im Jahr 2035 gar rund 460'000 Vollzeitbeschäftigte.
Fokus auf Förderung einheimischer Kräfte
Dies deshalb, weil im Vergleich zu heute zusätzliche 163'000 Vollzeitbeschäftigte notwendig seien, um die Wohlstandsentwicklung der letzten Jahre fortzuschreiben. Ihre Berechnungen machten die beiden Verbände auf der Basis eines mittleren Bevölkerungsszenarios des Bundesamts für Statistik.
Die Lücke füllen wollen die Wirtschaftsverbände primär mit der Förderung inländischer Arbeitskräfte, weil dies der Wille der Bevölkerung sei, so SAV und Economiesuisse. Die Sorge um die hohe Zuwanderung in den letzten Jahren müsse ernst genommen werden. Im Ausland Arbeitskräfte zu suchen, müsse subsidiär und «möglichst sozialverträglich» erfolgen.
Als Massnahmen zur besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials nennen die beiden Verbände Verbesserungen für ältere Arbeitskräfte und für Frauen respektive Mütter. Für letztere müssten Teilzeitarbeit und flexible Arbeitszeiten noch stärker zur Verfügung stehen. Auch brauche es erschwingliche, externe Kinderbetreuung.
Damit ältere Arbeitnehmende in den Betrieben blieben, brauche es mehr intergenerationale Teams, Jobsharing und Teilzeitstellen. Ältere Arbeitnehmende müssten aber Lohneinsparungen und Verantwortungseinbussen akzeptieren und offen sein für Neues.
Politik gefordert: Steuererleichterungen & Kinderbetreuungsangebote
Die Politik sei gefordert bei der externen Kinderbetreuung, aber auch bei der Besteuerung der Arbeitnehmenden. Es brauche die Individualbesteuerung und Massnahmen bei der Steuerprogression.
Die Wirtschaft schätzt, dass mit solchen Massnahmen rund 48'000 Vollzeitstellen für Frauen und rund 37'000 Vollzeitstellen für 65- bis 69-Jährige zusätzlich geschaffen werden können.
In ihrem Arbeitspapier nennen die beiden Verbände das Seniorenkonzept der Zuger Verbindungstechnik-Firma Bossard AG als gutes Beispiel für den Umgang mit älteren Arbeitnehmenden. Es ermögliche, dass Angestellte ab dem 60. Altersjahr die Arbeitszeit unter bestimmten Bedingungen ihrer physischen oder psychischen Belastbarkeit anpassen könnten.
Die Beschäftigten können beispielsweise zusätzliche Ferientage erwerben. Die beiden Verbände verweisen auch auf einen bereits im April 2023 vorgestellten Acht-Punkte-Plan des SAV zur besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials.
Sie sagen auch, die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen sei in der Schweiz im internationalen Vergleich mit 77,5 Prozent im Jahr 2023 bereits hoch. Es gelte, heute in der Schweiz nicht mehr von einem Fachkräfte-, sondern von einem Arbeitskräftemangel zu sprechen.