Sichtguthaben der SNB nur leicht gestiegen - kaum Interventionen
Die Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sind bereits die zweite Woche in Folge kaum mehr gestiegen. Die SNB wehrt sich offenbar nicht mehr gegen einen stärkeren Schweizer Franken.
Die Einlagen von Bund und Banken stiegen in der Woche zum 26. November um 0,1 Milliarden auf 719,4 Milliarden Franken, wie die SNB am Montag mitteilte. Bereits in der Woche davor gab es nur einen minimalen Anstieg, nachdem es in den vier Wochen davor zusammen immerhin knapp 5 Milliarden Franken gewesen waren.
Die Entwicklung der Sichtguthaben gilt bekanntlich als Indiz dafür, ob die SNB am Devisenmarkt interveniert, um den Franken zu schwächen. Die Zentralbank kauft Fremdwährungen und schreibt den Banken den entsprechenden Franken-Betrag auf deren SNB-Konten gut.
Dass die Giroguthaben nun zwei Mal in Folge kaum gestiegen sind, ist also ein klares Indiz, dass die SNB mit einem Anstieg des Frankens zum Euro relativ gut leben kann. Das sehen auch Ökonomen und Währungsanalysten so. Die SNB stemme sich nicht mehr grundsätzlich gegen Aufwertungen des Frankens, meint etwa VP-Chefökonom Thomas Gitzel in einem Kommentar.
Der grosse Aufschrei der Schweizer Industrie über die Kursgewinne der Schweizer Valuta sei bislang auch ausgeblieben, denn das verarbeitende Gewerbe scheine sich mit dem starken Franken arrangiert zu haben. Dies heisse jedoch nicht, dass die Notenbanker die Hände ganz in den Schoss legen, so Gitzel weiter.
Die Entwicklung der Giroguthaben vor den letzten Wochen lasse zumindest auf eine gewisse Aktivität der SNB schliessen. «Vermutlich sollen damit abrupte Aufwertungen verhindert werden. Es dürfte der SNB also derzeit vornehmlich um eine Glättung der Aufwertungsbewegung gegenüber dem Euro gehen.»
«Die aktuellen Giroguthaben von letzter Woche zeigen keine deutliche Veränderungen auf - was darauf deutet, dass keine massiven Deviseninterventionen von seitens der SNB getätigt wurden», sagte auch Mirabaud-Chefökonom Gero Jung. Allerdings sei festzuhalten, dass eventuelle Interventionen, die am Freitag getätigt wurden - einem Tag von hoher Risikoaversion an den Finanzmärkten wegen der Omikron-Variante - erst in den nächsten Wochendaten erscheinen würden, da generell Deviseninterventionen erst zwei Tage nach der Intervention verbucht würden.
Noch vor wenigen Wochen war man davon ausgegangen, dass die SNB intervenieren würde, wenn das EUR/CHF-Währungspaar unter 1,07 sinken sollte, kurz darauf war dann von einer Schmerzgrenze von 1,05 die Rede. Nun ist das Paar gegen Ende vorletzter Woche erstmals seit Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015 wieder klar unter diese Marke gefallen, mit zuletzt Kursen um 1,0440.
«Es macht tatsächlich den Eindruck, dass die SNB die Marke von 1,05 aufgegeben hat», meinte denn auch UBS-Ökonom Alessandro Bee. Das mache angesichts der starken Verschiebungen in der Kaufkraftparität, die er als fairen Wert ansehe, allerdings auch Sinn.
Seiner Meinung nach ist die Kaufkraftparität in den letzten Quartalen nämlich von 1,20 auf 1,10 gefallen. Allerdings gebe das noch keine Indikation, wo eine neue Grenze liegen könnte bzw. ob es überhaupt wieder eine fixe Grenze sei - auch wenn diese nicht explizit kommuniziert werde. Möglich sei auch ein sogenanntes «crawling peg», also dass die SNB den Franken langsam aufwerten lasse.
Vielleicht löst sich das Problem für die SNB aber auch einfach mit der Zeit. Sollte sich der globale Aufschwung im kommenden Jahr fortsetzen und sich damit auch die Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie legen, dürfte der Franken gegenüber dem Euro nämlich zur Schwäche neigen, meinte Thomas Gitzel dazu. In diesem Fall könnten dann die hiesigen Währungshüter erst recht mit grosser Gelassenheit auf die Entwicklung des Franken schauen.
Auch Bee von der UBS sieht das so. Zwar seien mit der neuen Virus-Variante die Unsicherheiten stark gestiegen. Wenn aber die Gesundheitssysteme mit der neuen Variante zurechtkommen würden, dürfte der Franken nicht weiter zur Stärke neigen, sondern viel mehr der Euro durch die Konjunktur unterstützt werden. «Dann dürfte die Frage nach einer Untergrenze wieder an Aktualität verlieren.»