SNB dürfte Leitzins nicht antasten
Die SNB wird voraussichtlich am Donnerstag während der geldpolitischen Lagebeurteilung den Leitzins unverändert bei 1,75 Prozent lassen.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird den Leitzins am Donnerstag anlässlich der geldpolitischen Lagebeurteilung wohl beim aktuellen Stand von 1,75 Prozent belassen. Die grosse Mehrheit der Experten ist sich einig, dass die hiesigen Notenbanker angesichts der aktuellen Lage keinen Handlungsbedarf sehen.
Die meisten von der Nachrichtenagentur AWP befragten Analystinnen und Analysten gehen davon aus, dass die SNB dem sogenannten «Juni-Club» beitritt – also dass sie im Gleichschritt mit dem US-Fed oder der EZB erst im Juni eine erste Zinssenkung vornehmen wird.
Bei der nun anstehenden Lagebeurteilung würde sie damit das dritte Mal in Folge stillhalten. Zuvor hatte die Notenbank ab Juni 2022 den Leitzins von damals -0,75 Prozent in nur fünf Schritten auf das aktuelle Niveau gehievt und der Jahre andauernden Negativzinsära in der Schweiz damit ein Ende gesetzt.
Inflation auf 1,2 Prozent gesunken
Nötig geworden waren die Zinserhöhungen wegen des rasanten Preisauftriebs im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Mittlerweile ist die Inflation vom Höchststand im August 2022 bei 3,5 Prozent aber wieder auf zuletzt 1,2 Prozent gesunken und liegt damit auch wieder innerhalb der von der SNB angestrebten Bandbreite von 0 bis 2 Prozent.
Dass die SNB trotzdem nicht schon jetzt die Zinsen senkt, begründen Beobachter mit einer gewissen Vorsicht. Ähnlich wie EZB und Fed werde auch die SNB zunächst sicher sein wollen, dass sie den Kampf gegen die Inflation denn auch tatsächlich gewonnen hat, so die gängige Meinung.
«Die Inflation ist zwar deutlich gesunken, aber die SNB kann sich heute noch nicht sicher sein, dass Zweitrundeneffekte kein Thema mehr sein werden», sagt etwa UBS-Ökonom Alessandro Bee. «Deshalb dürfte man bei der SNB noch ein wenig zuwarten, bevor man die Inflation als besiegt erklärt mit einer Zinssenkung.»
Inflationsrate innerhalb des Komfortbereichs der SNB
Laut Patrick Häfeli, Stratege bei der St. Galler Kantonalbank, «liegt die Schweizer Inflationsrate auf dem aktuellen Niveau wieder innerhalb des Komfortbereichs der SNB und wird es trotz einem leichten Anstieg in den nächsten Monaten aufgrund von Mietpreiserhöhungen auch bleiben». Dies alleine zwinge die SNB jedoch nicht zu raschen Zinssenkungen.
Wichtig für die Währungshüter um Thomas Jordan ist auch die jüngste Währungsentwicklung. Nachdem der Schweizer Franken gerade zum Jahresende 2023 noch eine rasante Aufwertung gesehen hatte, ist er in den letzten Wochen gegenüber Euro und US-Dollar klar zurückgekommen. «Damit werden die negativen Effekte auf die Exportindustrie eingegrenzt und die monetären Bedingungen bereits verbessert», erklärt Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile.
Während die SNB im Juni 2022 der EZB mit ihrer ersten Zinserhöhung zuvorgekommen war, gehen die meisten Beobachter nun also nicht davon aus, dass sie auch dieses Mal vorpreschen wird. Ausnahmen gibt es allerdings: So rechnen etwa David Kohl von Julius Bär oder Daniel Lüchinger von der Graubündner Kantonalbank bereits diese Woche mit einer ersten Zinssenkung.
Zinssenkung erwartet
«Wir gehen davon aus, dass die SNB den Leitzins auf 1,50 Prozent senken wird und damit ihre Eigenständigkeit einmal mehr unter Beweis stellt», so Lüchinger. UBS-Man Bee will ein Überraschungs-Coup der SNB zumindest nicht ausschliessen, auch wenn er einen solchen Schritt nicht als Basis-Szenario sieht.
Auf der anderen Seite gibt es allerdings auch Analysten, die noch längere Zeit mit unveränderten Zinsen rechnen. VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel beispielsweise geht davon aus, dass die SNB in diesem Jahr die Leitzinsen gar nicht antasten wird. «Der Leitzins ist ohnehin nicht besonders hoch», sagt er. «Darüber hinaus schlägt sich die eidgenössische Wirtschaft in Anbetracht des widrigen aussenwirtschaftlichen Umfeldes relativ solide.»
Alles in allem präsentiert sich die Situation für die SNB mit sinkender Inflation und solidem Wirtschaftswachstum also relativ komfortabel. Oder wie Hasenmaile von Raiffeisen es ausdrückt: «Die SNB hat viel Handlungsspielraum, aber nur wenig Handlungsdruck.»
Dass der jüngst bekannt gewordene Rücktritt von SNB-Chef Thomas Jordan per September die Situation verändert hat, ist zwar nicht ganz auszuschliessen, wenn auch eher unwahrscheinlich. Gewisse Beobachter spekulieren immerhin, dass Jordan es seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin überlassen könnte, die Zinswende einzuläuten. Das Amt mit einer ersten Zinssenkung nach zwei Jahren zu übernehmen, wäre für einen neuen Präsidenten sicherlich eine dankbare Option, heisst es hier.