Socar Schweiz verkauft nicht nur Öl aus Aserbaidschan
Socar steht wegen Kriegspropaganda in der Kritik. Wer beim aserbaidschanischen Staatskonzern tankt, kriegt aber nicht immer Benzin aus dem Kaukasus.
Das Wichtigste in Kürze
- Socar betreibt in der Schweiz rund 200 Tankstellen, oft mit Migrolino-Shops.
- Im Netz macht der Konzern Propaganda für Aserbaidschan.
- Der Staatskonzern verkauft aber auch Öl aus den internationalen Märkten.
CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt hat die Migros im Visier. Grund ist die Zusammenarbeit mit dem aserbaidschanischen Ölkonzern Socar, der diese Tage Propaganda auf den sozialen Netzwerken verbreitet.
Wer die Kanäle des Staatskonzerns auf Facebook und Twitter aufruft, findet Kriegsrhetorik. Fotos von Panzern, der wehenden Landesflagge oder Präsident Ilham Alijew in Siegerpose. Daneben Sätze wie «Karabach ist Aserbaidschan» oder «Unsere Stärke liegt in unserer Einheit».
Socar bezieht klar Position im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg-Karabach. Der Krieg hat seit September mehrere hundert Menschenleben gekostet.
«Migros hat ein Problem»
«Die Migros hat definitiv ein Problem mit dem Partner», kommentiert Müller-Altermatt. Nicht ganz unbefangen: Der CVP-Mann ist Mitglied der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Armenien.
Der Ölkonzern ist seit 2012 in der Schweiz präsent, als er das Geschäft von Esso übernommen hatte. Das Unternehmen betreibt aktuell rund 190 Tankstellen. An 60 davon steht eine Filiale der Migros-Tochter Migrolino.
«Wir verfolgen die derzeitige Lage im Kaukasus aufmerksam», sagt Migros-Sprecher Marcel Schlatter. Man sei mit dem CVP-Nationalrat im Austausch. Und: «Selbstverständlich geht die Migros nur Verträge unter Berücksichtigung von national und international gültigen Gesetzen ein.»
Socar ist das grösste Unternehmen Aserbaidschans und beschäftigt über 50'000 Angestellte. Das schwarze Gold ist besonders wichtig für die Republik im Kaukasus: 2017 machten Mineralölprodukte über 86 Prozent der Exporte aus.
Erdöl aus globalem Markt
«Es ist nicht die Geschäftspolitik von Socar Energy, Switzerland, Erdöl aus Aserbaidschan zu verkaufen», sagt Sprecher Anthony Welbergen. «Wie andere Marktteilnehmer auch kaufen wir unsere Produkte bei diversen Anbietern auf dem europäischen Markt ein, die ihrerseits das von ihnen benötigte Rohöl auf dem globalen Rohöl-Markt beziehen.» Dies zeigen auch Zahlen von Avenergy Suisse, der ehemaligen Erdölvereinigung: Rohöl aus Aserbaidschan machte letztes Jahr gerade mal 0,1 Prozent der Importe aus.
Allerdings zeigt diese Statistik nicht das ganze Bild. Zwei Drittel der Mineralöl-Produkte werden nicht als Rohöl, sondern als Fertigprodukte in die Schweiz importiert. Die Hälfte davon stammt aus Deutschland, unsere Nachbarn beziehen wiederum das Rohöl primär aus Russland.
Müller-Altermatt hat angekündigt, nicht mehr bei Socar zu tanken. Doch ob die Alternativen ethisch vertretbarer sind? Geht es um Transparenz, schneidet die Öl-Branche laut Amnesty International schlecht ab. Das fängt an der Zapfsäule an: Anders als bei Lebensmitteln, Schuhen oder Kleidern fehlt hier jegliche Herkunftsangabe.