Swissmem-Chef sieht keine baldige Erholung in Deutschland

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Zürich,

Swissmem-Chef Martin Hirzel zeigt sich vorsichtig für die Zukunft der Schweizer Industrie in Deutschland, während er für die USA zuversichtlicher ist.

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Swissmem-Präsident Martin Hirzel. (Archivbild) - keystone

Die Schweizer Industrie blickt gebannt auf die Entwicklungen der beiden wichtigsten Exportmärkte Deutschland und USA. Der Chef des Dachverbandes Swissmem, Martin Hirzel, zeigt sich im Gespräch mit AWP mit Blick auf Deutschland eher noch vorsichtiger als für die USA.

Für die Tech-Industrie, zu der die Unternehmen der Metall-, Elektro- und Maschinenbau-Branche (MEM) und weitere Technologiefirmen gehören, ist Deutschland mit einem Exportanteil von über 23 Prozent noch wichtiger als die USA. Mit einem Anteil von knapp 15 Prozent. Die Wirtschaft Deutschlands siecht aber seit 2023 in einer milden Rezession vor sich hin.

Schweizer Tech-Industrie kämpft mit Rückgang

Zuletzt kam die Schweizer Tech-Industrie denn auch nicht vom Fleck. Im ersten Halbjahr gingen die Umsätze zurück und auch Aufträge kamen weniger herein. Nicht zuletzt wegen Deutschland.

Die am Morgen publizierten Zahlen des Bundesamtes für Statistik zur Entwicklung der Produktion im sekundären Sektor ergaben zwar eine Zunahme der Produktion im dritten Quartal insgesamt und auch für die Industrie. Innerhalb des Quartals zeigte sich von Monat zu Monat hingegen eine Abwärtstendenz. Martin Hirzel bleibt denn auch hinsichtlich der nahen Zukunft Deutschlands zurückhaltend.

Auf die Frage, wie gross die Hoffnungen seien, dass sich die dortige Lage mit einer neuen Regierung wieder aufhellen werde, sagte er gegenüber AWP: «Aus unserer Sicht hat die deutsche Wirtschaft ein strukturelles Problem. Deshalb rechnen wir nicht mit einer raschen Erholung.»

Schweizer Industrie leidet unter Deutschlands Investitionsbremse

Die Neuwahlen in Deutschland könnten aber im besten Fall die Stimmung generell verbessern und damit auch die Investitionsbereitschaft wieder erhöhen, fügte er an. Sollte eine neue Regierung mit entschlossenen Reformen zügig die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verbessern, könnte es mittelfristig auch wieder aufwärts gehen.

Bekanntlich läuft es in Deutschland insbesondere in der Automobilindustrie schlecht, welche für hiesige Maschinenhersteller und andere Autozulieferer relativ wichtig ist. «Die Nachfrage nach Produkten der Schweizer Automobilzulieferer wird wohl weiter sinken», so Hirzel.

Die Verunsicherung in Deutschland habe indes zu einem generell schlechten Investitionsklima, Hirzel nennt es eine «eigentliche »Investitionsbremse«, geführt. Entsprechend sei die Nachfrage nach kapitalintensiven Investitionsgütern aus der Schweiz, wie z. B. Maschinen, Anlagen oder Grosssysteme, derzeit schwach.

Schweizer Industrie bleibt flexibel trotz globaler Unsicherheiten

Der Swissmem-Präsident sieht indes nicht nur schwarz. Die Schweizer Firmen hätten sich in der Vergangenheit immer agil und anpassungsfähig gezeigt und bedienten oft auch verschiedene Märkte. Sollte der deutsche Automobilmarkt wegbrechen, müssten sie ihre Kompetenzen auf andere Geschäftsfelder fokussieren. Und dazu seien sie mittelfristig auch in der Lage.

Was den anstehenden Wechsel in der US-Administration unter die Leitung des Republikaners Donald Trump betrifft, gibt sich Hirzel einigermassen gelassen. Entscheidend für die Rahmenbedingungen für die Schweizer Exportwirtschaft sei die Aussenwirtschaftspolitik der USA. Die beiden Präsidentschaftskandidaten hätten sich diesbezüglich nicht im Grundsatz unterschieden. Die grosse Frage sei nun, wie konsequent der neue Präsident seine Wahlkampfankündigungen – insbesondere das Hochziehen von «Zollmauern» – umsetzen werde.

Tech-Industrie bleibt trotz US-Handelsrisiken optimistisch

Hirzel wollte sich bezüglich der Aussichten in den USA nicht auf grosse Unterschiede zwischen einzelnen Branchen oder Unternehmenstypen festlegen. «Massiv erhöhte Zölle, wie sie Donald Trump im Wahlkampf forderte, schaden allen Unternehmen, die in die USA exportieren. Das Exportvolumen würde mit einiger Sicherheit zurückgehen.»

Die Unternehmen der Schweizer Tech-Industrie seien in ihren Nischen allerdings oft Weltmarktführer, ohne gleichwertige Konkurrenten in den USA. Und andere nicht-amerikanische Konkurrenten stünden vor denselben Handelshürden. Grundsätzlich schätzt er die Aussichten für die USA zuversichtlich ein.

«Die USA sind die grösste Volkswirtschaft der Welt. Das Exportvolumen der Schweizer Tech-Industrie nach Amerika hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Wenn es in den USA konjunkturell gut läuft, profitieren auch die Unternehmen der Schweizer Tech-Industrie – sofern sich die USA nicht komplett abschottet.»

Zunehmende Rolle Indiens

Als positiven Punkt streicht Hirzel zudem hervor, dass Donald Trump «eher technologie-offen ausgerichtet ist» als die Demokratin Kamala Harris. Dies könnte das Wachstum in den USA fördern. Ein grosser Exportmarkt für die Schweiz ist natürlich auch China. Dort sind die Exporte in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres zwar gewachsen, aber nur dank eines soliden ersten Semesters.

Im dritten Quartal hingegen gingen die Exporte zurück. «China wird auch künftig ein wichtiger Markt für die Schweizer Tech-Industrie bleiben», meint Hirzel dazu. Er streicht gleichzeitig die zunehmende Rolle Indiens als Absatzmarkt hervor.

Kein anderer grosser Markt habe in den vergangenen drei Jahren eine vergleichbare Wachstumsdynamik aufgewiesen. Allein zwischen 2020 und 2023 habe das Exportvolumen kumuliert um 60 Prozent zugenommen. Das Freihandelsabkommen mit Indien könnte diese positive Entwicklung laut Hirzel weiter befeuern. «Deshalb ist es wichtig, dass es so rasch wie möglich ratifiziert wird.»

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