Rollenbilder: Ohne Vaterschaftsurlaub ist Gleichstellung unmöglich
Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau lassen sich zum Teil erklären. Das heisst aber nicht, dass diese Erklärungen Sinn machen, wie die Expertin ausführt.
Das Wichtigste in Kürze
- Männer verdienen im Schnitt fast einen Fünftel mehr als Frauen.
- Der unerklärbare Unterschied ist diskriminierend, aber ist der erklärbare gerechtfertigt?
- Die Gewerkschafterin erklärt, warum beispielsweise ein Vaterschaftsurlaub notwendig ist.
Frauen verdienen in der Schweiz fast einen Fünftel weniger als Männer. Der durchschnittliche Lohn betrug 2016 für Frauen 6011 Franken pro Monat. Bei Männern lag der Medianlohn 819 Franken höher – das sind fast 10'000 Franken im Jahr.
Wie gross der unerklärbare und damit diskriminierende Teil des Lohnunterschieds ist, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Entscheidend dabei ist, welche Faktoren berücksichtigt werden. Einig sind sich die Fachleute jedoch darin, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zentraler Faktor ist.
Denn dieser Teil ist erklärbar. Wird nämlich bei der Analyse berücksichtigt, ob und wie viele Kinder eine Person hat, lassen sich Lohnunterschiede besser erklären. Doch: «Dies wäre typischerweise ein möglicher diskriminierender Faktor, welchen es unbedingt zu vermieden gilt», erklärt Ingrid Ryser vom Eidgenössischen Justizdepartement BJ.
Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik BFS zeigen indes deutlich, dass Frauen häufiger ohne Lohn arbeiten als Männer. Mütter leisten 53 Stunden Haus- und Familienarbeit pro Woche, Männer dagegen nur 29 Stunden. Bei fast zwei Dritteln der Paare erledigt hauptsächlich die Frau die Haus- und Familienarbeit, bei Paaren mit Kindern ist der Anteil gar drei Viertel. Sowohl bei Paaren mit wie ohne Kinder trägt der Mann deutlich mehr zum Haushaltseinkommen bei.
Corinne Schärer, Leiterin der Abteilung Politik bei der Gewerkschaft Unia, erklärt es so: «Für die Beseitigung des erklärten Anteils des Lohnunterschieds braucht es Massnahmen für die Gleichstellung. Namentlich staatlich ausgebaute Infrastrukturen in der Kinderbetreuung sowie ebenfalls eine gleichmässige Verteilung der Verantwortung für die unbezahlte Care Arbeit zwischen Männern und Frauen.»
Schärer argumentiert für eine Elternzeit. Der SGB und die Unia unterstützen das Modell der eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, das 38 Wochen vorschlägt: 14 Wochen Mutterschaftsurlaub, 8 Wochen Vaterschaftsurlaub und 16 Wochen aufteilbar zwischen Vater und Mutter.
Gleichstellung: Frauen arbeiten mehr unbezahlt als Männer
Das konservative Rollenbild verhindert gemäss Schärer die tatsächliche Gleichstellung der Frauen und ihre ökonomische Unabhängigkeit. «Frauen wird bei der Lohnfestsetzung – auch wenn sie noch keine Kinder haben – ganz offensichtlich bereits die spätere Rolle als Mutter zugedacht und daher ihr Wert für die Firma als weniger hoch angenommen.»
So würden Frauen bereits beim Berufseinstieg eingestuft als Männer. «Das nimmt dann, wenn die Frauen effektiv Mutter werden, nochmals zu und die Löhne driften noch stärker auseinander. Dies lässt sich auch damit erklären, dass die Männer aufgrund ihrer zugedachten Ernährerrolle einen Lohnschub haben, während bei Frauen umgekehrt die Löhne eher stagnieren.»
Dass es anders geht zeigt etwa Ikea Schweiz, die Vätern einen Vaterschaftsurlaub von bis zu zwei Monaten anbietet. Der US-Konzern Johnson & Johnson führte 2017 für alle Angestellten weltweit einen achtwöchigen Vaterschaftsurlaub mit Lohnfortzahlung ein. Und bei Microsoft Schweiz erhalten Väter sechs Wochen Vaterschafsurlaub mit Lohnfortzahlung.