USA lösen Deutschland als wichtigstes Exportland ab
Deutschland ist nicht mehr das wichtigste Absatzland der Schweizer Firmen. Das hat auch mit Corona zu tun.
Das Wichtigste in Kürze
- Von 1954 bis 2020 war Deutschland ununterbrochen das grösste Abnehmerland von Schweizer Produkten - 2021 war dies nicht mehr der Fall.
Obwohl die Ausfuhren ins nördliche Nachbarland um 9 Prozent auf 44,04 Milliarden zunahmen, reichte es nicht mehr für den obersten Platz auf dem Treppchen.
Neuer Hauptabnehmer von Schweizer Produkten sind die Vereinigten Staaten. Sie kauften im letzten Jahr hierzulande für 46,94 Milliarden Franken ein, was einem satten Plus von 19 Prozent entspricht.
Zur Wachtablösung geführt hat die Coronakrise. «Der Hauptgrund für den stark gestiegenen Absatz in die USA waren immunologische Produkte, also etwa die Basisstoffe für die Corona-Impfungen», sagte Matthias Pfammatter vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherung (BAZG) am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.
Bekanntlich ist die Schweiz eine Hochburg bei der Bereitstellung von Wirkstoffen gegen das Virus. Lonza etwa stellt im Wallis den Wirkstoff für die Impfungen des Anbieters Moderna her. Der Spitzenplatz der USA ist somit nicht in Stein gemeisselt: Bei einem baldigen Ende der Pandemie könnte Deutschland wieder zur Nummer eins werden.
Die Corona-Effekt war auch für andere Verschiebungen in der Exportstatistik verantwortlich. So schnellten die Exporte nach Spanien um fast 70 Prozent in die Höhe, nicht zuletzt weil Moderna den Impfstoff in jenem Land zusammenmischt. Das Land auf der iberischen Halbinsel zählt neu zum Kreis der Länder mit einem Schweizer Exportvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe (12,60 Mrd). Die weiteren Länder in diesem Kreis sind - neben den USA und Deutschland - Italien (15,59 Mrd), China (15,55 Mrd) und Frankreich (14,78 Mrd).
Insgesamt hat der Schweizer Aussenhandel 2021 die Corona-Delle überwunden. Die Exporte kletterten um 15 Prozent auf 259,5 Milliarden Franken, was ein neuer Höchststand ist. Es sind auch rund 17 Milliarden mehr als im Vorcorona-Jahr 2019. Die Einfuhren nahmen derweil gegenüber Vorjahr um 10 Prozent auf 200,8 Milliarden zu und blieben damit auch nur knapp unter dem Vor-Corona-Niveau. In der Folge vergrösserte sich der Überschuss in der Handelsbilanz auf einen neuen Höchststand von 58,7 Milliarden (VJ 43,0 Mrd).
Im Vorjahr waren die Exporte und Importe wegen der Pandemie in historischem Ausmass geschrumpft. Nun habe sich der Aussenhandel «äusserst robust» gezeigt, so das BAZG in der Mitteilung. Sämtliche Exportsparten hätten wieder zugelegt. Besonders gross waren die Zugewinne bei den Uhren (+31%) und bei den Bijouterie und Juwelierwaren (+37%).
Aber auch die wichtige Pharma- und Chemiebranche, die rund die Hälfte zu den Gesamtexporten beisteuert, legte um 12 Prozent zu. Insgesamt hätten sich Firmen der Branche in den letzten zwei Jahren sehr krisenresistent gezeigt, kommentierte der Verband Scienceindustries. Das Wachstum sei umso bemerkenswerter, weil die Halbleiter-, Rohstoff- und Logistikkrise durchaus auch diese Branche tangiert habe. So sei etwa die Autoindustrie ein grosser Abnehmer von Chemikalien made in Switzerland.
Auf der anderen Seite wurden auch weitere Corona-Produkte offensichtlich stark nachgefragt. So nahmen die Ausfuhren von Diagnostikprodukten laut dem BAZG um ein Fünftel zu, nachdem sie schon im Vorjahr ein Wachstum von 10 Prozent verzeichnet hatten.
Die Maschinen- und Elektroindustrie hinkte derweil mit einem Wachstum von 9,6 Prozent leicht hinterher. Im Gegensatz zu anderen Branchen gelang es ihr auch nicht, das Vor-Corona-Niveau zu übertreffen. Insbesondere bei den Maschinen besteht noch immer eine beträchtliche Lücke zur Zeit vor der Pandemie.
Die Ökonomen der Grossbank Credit Suisse gehen davon aus, dass der Höhenflug der Schweizer Exporte weitergehen wird. «Grund dafür sind die anhaltende Pandemie und konkret die Lieferengpässe, welche wohl noch mindestens bis Mitte des Jahres bestehen bleiben werden», heisst es in einer am Donnerstag publizierten Studie.
Denn wegen der Lieferengpässe werde die Güternachfrage «bis auf Weiteres» nicht sofort gestillt werden können, was sich somit noch länger positiv auf die Nachfrage nach Schweizer Exporten auswirken dürfte.
Auch bei den Importen wirkte sich übrigens Corona aus: Die Mehreinfuhren immunologischer Produkte waren laut dem BAZG dafür verantwortlich, dass die Einfuhren chemisch-pharmazeutischer Produkte anstiegen.
Zudem schlugen sich bei den Importen auch die gestiegenen Preise für Öl und die Halbleiterkrise nieder. So erhöhten sich die Einfuhren von «Energieträgern» um gut zwei Drittel. Dagegen nahmen die Importe von Autos wegen der Lieferprobleme der Branche infolge des Chipmangels trotz des Einbruchs des Vorjahres nur um 0,1 Prozent zu und sind damit weit vom Vor-Krisenniveau entfernt.