Ja zum Stimmrechtsalter 16: «Aargau ist innovativ genug»
Nico Zobrist will im Aargau das Stimmrechtsalter mittels Volksinitiative auf 16 Jahre senken. Ziel ist es, die Altersbalance an der Urne wiederherzustellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Kanton Aargau wurde die Volksinitiative fürs Stimmrechtsalter ab 16 Jahren eingereicht.
- Dadurch würden im Aargau lebende Personen bereits mit 16 das aktive Wahlrecht erhalten.
- Für Nico Zobrist, vom Initiativ-Komitee müssen Jugendliche politisch mitreden dürfen.
Junge Menschen im Kanton Aargau sollen mehr Mitsprache in der Politik erhalten. Dies wird vom überparteilichen Komitee «Für eine Demokratie mit Zukunft – Stimmrechtsalter 16 im Aargau» gefordert. Sie haben diesbezüglich im Februar 2023 die nötigen Unterschriften gesammelt und eingereicht.
Bei Annahme der Initiative würden Personen ab 16 Jahren das aktive Wahlrecht, also das Recht zu wählen und abzustimmen, erhalten. Das passive Wahlrecht, bei dem man sich zur Wahl für Ämter in Behörden stellen kann, ist nicht Teil der Abstimmung. Dies sei auch nicht mit dem Bundesrecht vereinbar, teil das Initiativ-Komitee mit.
Das Aargauer Parlament hatte 2021 einen ähnlichen Vorstoss knapp abgelehnt. In den Kantonen Bern und Zürich wurde bei Abstimmungen mit dem gleichen Ziel deutlich Nein gesagt. Einzig im Kanton Glarus dürfen Personen ab 16 Jahren abstimmen und wählen. Auch national sorgt das Anliegen schon seit Jahren für Diskussionen und im Kanton Luzern ist das Thema momentan ebenfalls aktuell.
Nico Zobrist ist Mitglied des Initiativ-Komitees, sowie der SP Kanton Aargau. Er will mit der Initiative mehr junge Menschen für Politik begeistern und am politischen Diskurs teilhaben lassen. Im Interview äussert er sich zum Vorhaben.
Nau.ch: Wieso wollen Sie das Stimmrechtsalter auf 16 Jahre heruntersetzen?
Nico Zobrist: Die Demokratie sind wir alle. Wir wollen auch den jungen Menschen mehr Mitsprache in unserem Kanton über Ihre Zukunft ermöglichen. So können Lösungen für die dringendsten Probleme altersübergreifend gesucht und gefunden werden.
Das Medianalter, heisst also, dass da gleich viele Leute älter und gleich viele jünger sind, liegt bei den Wählenden in der Schweiz bei 57 Jahren. Die Senkung des aktiven Stimm- und Wahlrechts auf 16 Jahre ist eine Massnahme, um die Altersbalance an der Urne wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Nau.ch: Als 16-jährige Person gilt man in der Schweiz nicht als volljährig. Man hat weder die gleichen Rechte noch Pflichten, wie eine 18-jährige Person. Weshalb sollen 16-Jährige ausschliesslich das aktive Wahlrecht erhalten?
Nico Zobrist: Zu den Rechten und Pflichten: In der Schweiz erhält man verschiedene Rechte und Pflichten zu verschiedenen Altersjahren.
So entscheidet man sich bereits vor 18 für eine weiterführende Schule oder eine Lehre, darf bereits Autofahren lernen, ist in Kirchen stimmberechtigt und übernimmt auch sonst bereits viel Verantwortung für Gesellschaft und für einen selbst.
So sind viele Jugendliche beispielsweise in Vereinen ehrenamtlich aktiv. In unserer Vorstellung einer Demokratie werden die Spielregeln des Zusammenlebens gemeinsam ausgehandelt, deshalb müssen an diesem Tisch auch die Jugendlichen mitreden dürfen. Zudem sind sie, so sieht man es in Studien aus Österreich, wo es bereits das Stimmrechtsalter 16 gibt, auch reif genug zum Mitbestimmen.
Zum aktiven Wahlrecht: Erstens gibt es dazu bereits Erfahrungen aus dem Kanton Glarus, zweitens wäre das passive Wahlrecht, heisst, dass man in Behörden gewählt werden dürfte, nicht mit Bundesrecht vereinbar.
Nau.ch: Durch Ihre Initiative würde das Stimmrechtsalter lediglich im Kanton Aargau angepasst. Müsste dies – zur Vermeidung eines Flickenteppichs – nicht schweizweit gleich geregelt sein?
Nico Zobrist: Wir unterstützten die aktuellen nationalen Bewegungen zur Einführung des Stimmrechtsalters 16. Auch bei der Senkung auf 18 Jahre oder bei der Einführung des Frauenstimmrechts gab es zuerst kantonal unterschiedliche Regelungen. Wir sind der Meinung, dass unser Kanton innovativ genug ist, um diesen fortschrittlichen Weg zu bestreiten.
Nau.ch: Gemäss dem Zentrum für Demokratie Aarau sprechen Erfahrungen aus dem Glarus für eine geringe politische Beteiligung von 16- und 17-Jährigen. Wie ordnen Sie dies ein?
Nico Zobrist: Wichtig ist nicht die prozentuale Stimmbeteiligung an sich. Wichtig ist die Qualität der Meinungsbildung der Jugendlichen, und diese ist hoch: Siehe auch Studien aus Österreich.
Auch die Stimmbeteiligung der über 18-Jährigen liegt nicht bei 100 Prozent und trotzdem dürfen alle stimmberechtigten Schweizer und Schweizerinnen mitbestimmen. Das ist auch gut so, man ermöglicht den Interessierten die Mitbestimmung und die Verantwortungsübernahme im Kanton.
Nau.ch: Sie wollen die «Altersbalance wiederherstellen». Welche anderen sinnvollen Massnahmen sehen Sie, um generell wieder mehr junge Leute an die Urne zu bringen?
Nico Zobrist: Ich bin der Meinung, dass politische Bildung ganz wichtig ist. Zudem sollte man jungen Menschen jeden Alters bereits früh zeigen, was Politik heisst: In der Politik nehmen wir die Zukunft selber in die Hand und gestalten wir alle zusammen die Welt ein kleines Stück mit. Das geschieht, in dem man Leute jeglichen Alters von früh auf einbindet.
Zur Person
Nico Zobrist ist 21 Jahre alt und Mitglied der Geschäftsleitung der SP Kanton Aargau. Neben seiner politischen Tätigkeit studiert er Medizin.