Ursula Funk, SP Aarau: Ist uns Afrika egal?
Ursula Funk, Einwohnerrätin SP Aarau, Ethnologin und alt Botschaftsrätin, schreibt in ihrem Gastbeitrag über die Zustände und ihre Erfahrungen in Afrika.

In meiner Freiwilligenarbeit mit geflüchteten Menschen in Aarau, habe ich 2017 zwei junge Männer aus dem Tschad kennengelernt und begleitet.
Vor ein paar Tagen hörte ich, dass Idriss Déby Itno tot ist. Das sagt vielen Menschen in der Schweiz nichts. Für meinen ehemaligen tschadischen Mitarbeiter sowie tschadische Freundinnen ist das bedeutsam.
Der Präsident von Tschad hat kurz vorher seine Wiederwahl erzwungen. Die Geschichte von Idriss Déby verstärkt leider das herrschende Vorurteil, dass die Präsidenten in Afrika Diktatoren seien. 1990 an die Macht geputscht, hat Déby seither alles gemacht, um Präsident zu bleiben. Schlimmer ist, dass Frankreich ihn dabei unterstützte, so wie es die Machtverhältnisse in anderen frankophonen Ländern Afrikas zu bestimmen versuchte, z.B. in Benin 2016.
2006 half Frankreich Déby einen Angriff von Rebellen zu bekämpfen. Doch sie kamen immer wieder zurück. Das hat dem Präsidenten, der sich gerne als Held an der Front inszenierte, diesmal das Leben gekostet. Mit der Ernennung des Sohnes von Idriss Déby als Interimspräsident, statt des Präsidenten der Nationalversammlung, hat das Militär eine demokratische Entwicklung verunmöglicht.
Präsident Macron legitimierte dies mit seinem Verhalten bei der Abdankung. Die internationale Gemeinschaft reagierte kaum. Sogenannte Experten für Sicherheits- (nicht Menschenrechtsfragen), argumentieren, dass Déby wichtig war im Kampf gegen Terrorgruppen (die angeblichen Jihadisten) in der Sahel Region.
Warum nehmen Terrorattacken zu?
Als ich im letzten Frühjahr wieder einmal im Nachbarland Niger war, versuchte ich zu verstehen, warum es zunehmend Terrorattacken, auch auf Dörfer in der Sahelzone gibt. In meiner Zeit in der Entwicklungszusammenarbeit im Niger (2006 – 2010) waren zwar 95 Prozent der Nigrer/innen Muslime, aber moderat. In der Zwischenzeit versuchten Saudi-Arabien und andere Akteure die Bevölkerung mit islamistischem Gedankengut zu beeinflussen.
Meine Befragungen 2020 ergaben, dass einerseits die Menschen in der Not religiöser geworden sind und sich auch in ihrer Frömmigkeit konkurrenzieren. Aber andererseits nicht die Religion, sondern die Armut die Motivation für Terrorattacken ist. Junge Männer ohne Perspektiven können mit Drogen-, Waffen- oder Menschenschmuggel durch die Sahara schnell viel Geld verdienen. Mit der Schwächung von Polizei- und Militärposten und der Bevölkerung in den Grenzgebieten können sie freier handeln.
Die zwei Männer aus dem Tschad, Opfer des Regimes von Idriss Déby, haben in der Schweiz keinen Aufenthaltsstatus erhalten.