Wie die Gemeinde Allschwil sagt, wurden erneut Benzidin und andere gefährliche Substanzen weit in der Chemiemülldeponie Roemisloch festgestellt.
Roemisloch
Drohnenaufnahme der ehemaligen Deponie Roemisloch: Klar erkennbar ist die Trennlinie zwischen dem alten Baumbestand und der Aufforstungsfläche (Standort der ehemaligen Deponie). - GI DRB
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Aus der Chemiemülldeponie Roemisloch treten weiterhin Benzidin und ein Mix aus hochgefährlichen Substanzen aus und gefährden Mensch und Umwelt. Dies zeigen die neuesten Analysenergebnisse der Gemeinde Allschwil.

Obschon die Gemeinde bereits im Jahr 2021 Benzidin nachweisen konnte, haben die Pharma- und Chemiekonzerne Novartis, BASF und Syngenta in deren Grundwassermessstellen nie nach Benzidin gesucht. Stattdessen liessen sie die Messstellen im Dezember 2023 entfernen.

Für den Gemeinderat ist dieser Schritt nicht nachvollziehbar und ein weiterer Beleg für die Verschleierungstaktik der involvierten Unternehmen.

Gemeinde hat selbst Wasserprobe aus dem Roemislochbach genommen

Die Gemeinde Allschwil hat im Dezember 2023 die Wasserprobe aus dem Roemislochbach, unmittelbar am Fuss der 2012 aus Sicht von Novartis, BASF und Syngenta totalsanierten Chemiemülldeponie Roemisloch in Neuwiller (F) genommen.

Jetzt liegen die Resultate der umfangreichen und aufwendigen Analysen des Umweltlabors des Amts für Umwelt und Energie Basel-Stadt vor – sie bestätigen den Standpunkt des Allschwiler Gemeinderats, dass die Sanierung nicht ausreichend und somit nicht «total» war.

Über 120 Substanzen in einer Gesamtkonzentration von 271 Mikrogramm pro Liter Wasser wurden nachgewiesen.

Weitere Benzidinverbindung gefunden

Erneut hat die Gemeinde Allschwil das gefährliche Benzidin über den französischen Limiten und dem Schweizer Grenzwert gefunden. Benzidin löst Blasenkrebs aus. Dieses schwere Leiden ist in Frankreich und in der Schweiz bei Arbeitskräften, die in der chemischen Industrie mit diesen Substanzen gearbeitet haben, als Berufskrankheit anerkannt.

Weil Benzidin so gefährlich ist, liegt der Grenzwert in der Schweiz bei extrem tiefen 1,5 Nanogramm pro Liter Wasser (ng/l). Ist die Konzentration höher, müsste in der Schweiz saniert werden. Zudem hat die Gemeinde 2,2-Benzidin und damit eine weitere Benzidin-Verbindung nachgewiesen.

Einen Grenzwert gibt es weder in Frankreich noch in der Schweiz. Dieser dürfte aber gemäss vorläufigen Angaben des Amts für Umweltschutz und Energie Basel-Landschaft in der Schweiz in Zukunft ebenfalls bei ca. 1,5 ng/l liegen.

Ebenfalls nachgewiesen wurde das Benzidin-Abbauprodukt 4-Aminobiphenyl – auch dieses löst Blasenkrebs aus.

Deponie Roemisloch noch immer ein Sanierungsfall

Die neuerlichen Messergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Die 2012 vermeintlich vom Pharmakonzern Novartis, von der Chemiefirma BASF und vom Pestizidhersteller Syngenta sanierte Deponie Roemisloch ist auch 12 Jahre nach Abschluss der Arbeiten noch immer ein Sanierungsfall.

Allschwil Benzidin
Benzidin in Allschwil BL: Die Gemeinde ist überzeugt, dass das gemessene Gift im Dorfbach aus der sanierten Deponie austritt. (Archivbild aus Juli 2021) - Gemeinde Allschwil

Für die Gemeinde ist klar: Es tritt übermässig belastetes Wasser aus, das einen Mix an hochgefährlichen Substanzen enthält.

Die Gemeinde fragt: Verschleierungstaktik?

Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Chemie- und Pharmafirmen Anfang Dezember 2023 die Grundwassermessstellen unterhalb der Deponie entfernt haben. Gemäss einem Bericht der französischen Umweltbehörde DREAL haben Novartis, BASF und Syngenta in den jetzt entfernten Messstellen nie nach dem hochgefährlichen Benzidin gesucht.

Trotzdem liess DREAL das Entfernen der Messstellen zu. Das erstaunt aus zwei Gründen: Die DREAL verweist in ihrem Bericht vom 12. Juni 2024 explizit auf zwei Grundwasseranalysen aus dem Jahr 2018, die also sechs Jahre nach Abschluss der vermeintlichen Totalsanierung gemacht wurden.

Sie enthielten an einer Messstelle rund 4’000 Mikrogramm pro Liter (μg/l) Chlorbenzole und aromatische Amine ohne Benzidin (dieser Wert war leicht tiefer als 2010 vor der Sanierung) und an einer anderen Messstelle rund 6’800 μg/l (dieser Wert war rund doppelt so hoch wie 2013 nach der Sanierung).

Gemeinde sagt: Grundwassersituation ist nicht verbessert

Von einer Verbesserung der Grundwassersituation kann aus Sicht der Gemeinde Allschwil also keine Rede sein. Novartis, BASF und Syngenta suchten unmittelbar beim Roemisloch stets fast ausschliesslich die angeblichen «Leitsubstanzen», also Chlorbenzole und aromatische Amine – die meisten anderen Substanzen, die das Wasser beim Roemisloch ebenso verschmutzen, beachteten sie nicht – auch nicht das hochgefährliche Benzidin.

Dessen Schweizer Grenzwert ist rund 467'000-mal tiefer als für Chlorbenzol und liegt ca. 33'000-mal tiefer als für Anilin. Das zeigt: Benzidin ist viel gefährlicher, als es die von der Industrie gesuchten Substanzen sind.

Benzidin hätte deshalb zwingend in den Grundwassermessstellen gesucht werden müssen, erst recht, nachdem es die Gemeinde Allschwil 2021 erstmals im Sickerwasser am Fusse der Deponie weit über den bekannten Grenzwerten und Limiten nachgewiesen hat.

Gemeinde Allschwil fordert Novartis zum Handeln auf

Die Gemeinde Allschwil sieht insbesondere den Pharmakonzern Novartis in der Pflicht, endlich seine Verantwortung wahrzunehmen, anstatt das Problem rund um den Krebsauslöser Benzidin zu verharmlosen und Untersuchungen zu verunmöglichen.

Heute, 14 Jahre nach der vermeintlichen Sanierung, ist es aus Sicht der Gemeinde daher höchste Zeit, das stark kontaminierte Wasser beim Roemisloch zu sammeln und zu reinigen, die Quelle der Schadstoffe ausfindig zu machen und endlich richtig aufzuräumen.

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