Umweltschützer fordern Altlastenanlyse für Basler Klybeck-Areal
Die baselstädtischen Behörden haben laut Umweltschützern beim Chemieareal Klybeck die Bundes-Altlastenverordnung erst ansatzweise umgesetzt
Die baselstädtischen Behörden haben laut Umweltschützern beim Chemieareal Klybeck die Bundes-Altlastenverordnung erst ansatzweise umgesetzt. Anhand einer historischen Dokumentation fordern sie gründliche Analysen für das künftige Wohnquartier. Das Klybeckareal, das die chemische Industrie schrittweise verlässt, soll zu einem neuen Stadtquartier mit 20'000 Bewohnern und 30'000 Arbeitsplätzen werden. Die Aerztinnen und Aerzte für Umweltschutz (AefU) fordern seit 2017, man müsse dort erst sanieren vor dem Planen. Nun unterstreichen sie ihre Forderungen mit einem Gutachten. Im Auftrag der AefU hat der Altlastenexperte Martin Forter aus Archiven zusammengetragen, dass auf diesem Areal mit rund 2000 Chemikalien hantiert worden war. Gemäss seinem am Donnerstag den Medien vorgestellten Gutachten wurden 2003 und 2005 nur bis zu 110 Substanzen gezielt gesucht, viele andere giftige Stoffe aber nicht.
Dreckige Werksgeschichte
In der über hundertjährigen Standortgeschichte wandelte sich der Umgang mit Chemikalien. Mit der Inbetriebnahme der Chemie-ARA wurde 1982 die alte Werkskanalisation stillgelegt - laut Forter war diese undicht, womit Areal und Grundwasser massiv belastet worden seien. Umschlag, Unfälle und Ablagerungen seien weitere Belastungsquellen. Davon sei wohl noch heute allerhand im Boden; man müsse bloss danach suchen. Trotz klaren früheren Hinweisen - darunter eines laut Forter «umfassenden, tiefgründigen und detailreichen» Berichts von Ciba SC und Novartis aus dem Jahr 2000 - sei jedoch in der Folge bei weitem nicht genügend gezielt und gründlich vorgegangen worden. Als Beispiele stark gesundheitsgefährdender Stoffe, die für das Klybeck-Werksareal historisch dokumentiert seien, nennt Forter den chemischen Kampfstoff Senfgas oder den krebserregenden Farbstoff Benzidin. Bohrkerne und Grundwasser seien jedoch nur nach Standardlisten der Bundes-Altlastenverordnung analysiert worden.
Forderung nach Klarheit
Die bisherigen Analysen genügten der Altlastenverordnung nicht, zumal jahrelange Grenzwertüberschreitungen dokumentiert seien. Ein «Trick» sei, nicht direkt bei der vermuteten Dreckquelle, sondern an der Arealgrenze das Grundwasser zu untersuchen, wo es verdünnt sei. Der Bund habe diesen Trick dementiert, doch die Lage der Hotspots kenne man bis heute nicht. Im Hinblick auf die geplanten Wohnungen auf dem alten Chemie-Areal fordern die AefU jetzt, die Verträge zwischen Novartis und einer Schweizer Investoren-Holding für den am 22. Mai bekannt gegebenen Verkauf ihres Arealteils seien offenzulegen. Zudem müssten alle belasteten Standorte systematisch und detailliert erfasst und gegebenenfalls saniert werden. Der Vorwurf, nicht genau genug hinzuschauen, zielt auf das Amt für Umwelt und Energie (AUE) Basel-Stadt als Aufsichtsbehörde. Dessen Leiter Matthias Nabholz reagiert auf Anfrage gelassen: Das Klybeck sei eines der schweizweit am besten dokumentierten Areale; dazu gebe es «tausende Seiten», die Forter wohl auch kenne.
Umweltbehörde gelassen
Der Vorwurf des Laissez-Faire sei jedenfalls «nicht gerechtfertigt», sagt Nabholz. Primär jene Substanzen zu suchen, für die die Altlastenverordnung wegen Risiken einen Grenzwert setzt, sei korrekt und angemessen. Das AUE werde Forters Bericht nun gründlich lesen; finde sich darin doch neues, dann gebe es neue Untersuchungen. Für Nabholz ist der entscheidende Moment, wenn Bagger auffahren: Dann zeige sich, ob alle vorgängigen Abklärungen genügen - Überraschungen wie am gegenüberliegenden Rheinufer bei der Sanierung des Steih-Areals können Bauwillige viel Zeit und Geld kosten. Das AUE habe vor der Bewilligung des Arealverkaufs sichergestellt, dass die Käufer volle Einsicht in die Altlastendokumente haben. Die Klybeck-Altlasten werden indes lange vor den Baggern für Diskussionen sorgen, da eine für die geplante Transformation nötige Zonenänderung politisch diskutiert wird. Forter sagte denn auch, die AefU wollten sich lieber an die Öffentlichkeit wenden, statt den wohl langen Rechtsmittel-Weg zu beschreiten.