Berner Coronavirus-Klon geht «viral»
Forschende der Virologie und Veterinärbakteriologie der Universität Bern haben das neue Coronavirus (SARS-CoV-2) geklont.
Im Hochsicherheitslabor des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV in Mittelhäusern und an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern gelang es den Forschenden, das Coronavirus aus synthetischer DNA (Desoxyribonukleinsäure) zu rekonstruieren. Dafür wurden DNA-Kopien, die Teile des Coronavirus-Erbguts enthalten, in Hefezellen eingeschleust und darin zu einer vollständigen Kopie zusammengesetzt.
Anschliessend konnten die Forschenden daraus infektiöse Coronaviren herstellen. «Wir haben das Virus innerhalb von nur einer Woche nachgebaut», sagt Prof. Volker Thiel vom Institut für Virologie und Immunologie (IVI).
Dafür verwendeten die Forschenden ein System aus Hefezellen, das in Bern entwickelt wurde und das sich nun erstmals in einer Epidemie bewährt hat. «Wir haben dieses System so optimiert, dass wir Coronaviren und andere Viren schnell klonen können», ergänzt Prof. Jörg Jores vom Institut für Veterinärbakteriologie der Universität Bern. Diese Berner Methode ermöglicht eine schnelle Reaktion auf neuartige und sich rasch ausbreitende Viren und deren Eigenschaften in Echtzeit – also noch während eines Ausbruchs.
Die provisorischen Ergebnisse der Studie, für die sich auch die Welt-Gesundheitsorganisation WHO interessiert hat, waren bereits auf einem sogenannten Preprint-Server der wissenschaftlichen Diskussion zur Verfügung gestellt worden. Nun wurden die definitiven Ergebnisse im Journal Nature publiziert.
Die Gruppe um Volker Thiel unterstützt mit den synthetischen Klonen bisher zahlreiche Diagnostiklabors weltweit, die damit genauere und schnellere Tests von Corona-Proben durchführen können. Zusätzlich erhalten die Berner Forschenden zahlreiche Anfragen von Firmen und anderen Forschenden, um mögliche Wirkstoffe gegen das Virus im Hochsicherheitslabor an den Klonen zu testen.
Grosser technischer Fortschritt
Nach bisherigem Stand belaufen sich die Ansteckungen mit dem neuen Coronavirus auf über 3.5 Millionen weltweit. Weltweit arbeiten Forschende und Pharmafirmen unter Hochdruck daran, Proben effizienter zu testen und Impfstoffe zu entwickeln.
Die in Bern geklonten synthetischen Viren haben die Diagnostik von Patientenproben und die Entwicklung von neuen Wirkstoffen einen grossen Schritt weitergebracht. Dabei sind Viren schwierig zu klonen: Sie sind winziger als die kleinsten Bakterien und extrem wandelbar. «Unser Modell-System mit Hefezellen zeigt, dass es bestens geeignet ist, um Corona und andere Viren zu rekonstruieren», führt Volker Thiel aus.
«Dieser technische Fortschritt zeigt, dass die Universität Bern in der Coronavirus-Forschung einen Spitzenplatz einnimmt», freut sich Christian Griot, Leiter des IVI.
Bereits im Januar hatten Epidemiologen des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern die Ausbreitung des Coronavirus berechnet. Die Erkenntnisse der jetzigen Studie wurden der WHO noch vor der Publikation zugestellt und dienten dort der Einschätzung der weltweiten Lage.
Wie das Coronavirus geklont wurde
Viren sind wie Parasiten auf eine Wirtszelle angewiesen, um sich zu reproduzieren – sie dringen in Körperzellen ein und programmieren diese so um, dass sie neue Viren herstellen. Diese treten aus der Zelle aus und werden beispielsweise durch Tröpfcheninfektion mittels Husten oder Niesen weiterverbreitet.
Im Berner Modell wurden Stücke des Erbguts des Coronavirus aus synthetischer DNA hergestellt und in Hefezellen mittels der sogenannten Transformation-assoziierten Rekombination (TAR) wieder zusammengesetzt. Das Ergebnis war ein künstliches Hefe-Chromosom, auf dem die Erbinformationen des Virus gespeichert waren. Anschliessend wurde in vitro (ohne Hefezellen) mittels der sogenannten T7-RNA-Polymerase infektiöse RNA erzeugt, die in tierische Zellen eingeschleust wurde. In diesen Zellen vermehrten sich dann neue, synthetische Coronaviren – die Klone waren entstanden.