Die Universität Bern informiert über kreative Algorithmen
Forscher der Universität Bern erarbeiten einen neuen Ansatz zu Algorithmen, die biologische Evolution nachahmen und sich kreativ weiterentwickeln.
Ein besseres Verständnis von Lernmechanismen trägt dazu bei, die Funktionsweise unseres Gehirns besser zu verstehen und intelligente, anpassungsfähige Maschinen zu bauen. Um dies zu erreichen, schlagen Forscher der Universität Bern einen neuen Ansatz vor, in dem Algorithmen die biologische Evolution nachahmen und durch kreative Weiterentwicklung besser lernen.
Gehirne sind unglaublich anpassungsfähig
Jeden Tag bildet der Mensch Erinnerungen, erwirbt neues Wissen oder verfeinern bestehende Fähigkeiten. Dies steht im Gegensatz zu heutigen Computern, die in der Regel nur vorprogrammierte Aktionen ausführen können. Die eigene Anpassungsfähigkeit ist das Ergebnis der sogenannten synaptischen Plastizität. Die Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen. Sie können sich auf verschiedene Weise verändern, abhängig davon, wie sie verwendet werden.
Diese Plastizität der Synapsen ist ein wichtiger Forschungsgegenstand der Neurowissenschaften, da sie zentral ist für Lernprozesse und das Gedächtnis. Um diese Prozesse des Gehirns besser zu verstehen und anpassungsfähige Maschinen zu bauen, erstellen Forschende aus den Gebieten der Neurowissenschaften und der künstlichen Intelligenz (KI) Modelle der Mechanismen, die diesen Prozessen zugrunde liegen. Solche Lern- und Plastizitätsmodelle tragen dazu bei, die biologische Informationsverarbeitung zu verstehen sollen es zusätzlich Maschinen ermöglichen, schneller zu lernen.
Die Algorithmen ahmen die biologische Evolution nach
Im Rahmen des Human Brain Project der EU haben nun Forscher des Instituts für Physiologie der Universität Bern einen neuen Ansatz entwickelt, der auf sogenannten evolutionären Algorithmen basiert. Diese Computerprogramme suchen nach Lösungen für Probleme, indem sie den Prozess der biologischen Evolution nachahmen, wie etwa das Konzept der natürlichen Selektion.
So wird die biologische Fitness, die den Grad der Anpassung eines Organismus an seine Umgebung beschreibt, ein Vorbild für evolutionäre Algorithmen. Bei den evolutionären Algorithmen besteht die «Fitness» eines Lösungskandidaten darin, wie gut er das zugrunde liegende Problem löst.
Die Algorithmen werden mit drei Lernszenarien konfrontiert
Der neu entwickelte Ansatz wird als «evolving-to-learn» (E2L-Ansatz) oder «lernfähig werden» bezeichnet. Das Forschungsteam um Dr. Mihai Petrovici vom Institut für Physiologie der Universität Bern und Kirchhoff-Institute for Physics der Universität Heidelberg, konfrontierte dabei die evolutionären Algorithmen mit drei typischen Lernszenarien.
Im ersten musste der Computer ein sich wiederholendes Muster in einem kontinuierlichen Strom von Eingaben erkennen, ohne dass er eine Rückmeldung darüber erhielt, wie gut er dabei war. Im zweiten Szenario erhielt der Computer virtuelle Belohnungen, wenn er sich in der gewünschten Weise verhielt. Im dritten Szenario des «geführten Lernens» schliesslich wurde dem Computer genau mitgeteilt, wie stark sein Verhalten vom gewünschten Verhalten abweicht.
Algorithmen überraschen mit Kreativität
«Für jedes dieser Szenarien waren die evolutionären Algorithmen in der Lage, Mechanismen der synaptischen Plastizität zu entdecken, und dadurch eine neue Aufgabe erfolgreich zu lösen», sagt Dr. Jakob Jordan, der Ko-Erstautor vom Institut für Physiologie der Universität Bern. Dabei zeigten die Algorithmen überraschende Kreativität.
«Beispielsweise hat der Algorithmus ein neues Plastizitätsmodell gefunden, in dem von uns definierte Signale zu einem neuen Signal kombiniert werden. Tatsächlich beobachten wir, dass Netzwerke, die dieses neue Signal benutzen, schneller lernen als mit bisher bekannten Regeln», betont Dr. Maximilian Schmidt vom RIKEN Center for Brain Science in Tokyo, Ko-Erstautor der Studie. Die Ergebnisse wurden im Journal eLife publiziert.
Die Erkenntnisse geben einen Einblick in die Funktionsweise von gesunden und erkrankten Gehirnen
«Wir sehen E2L als vielversprechenden Ansatz, um Einblicke in biologische Lernprinzipien zu gewinnen und den Fortschritt hin zu leistungsstarken Maschinen zu beschleunigen», sagt Mihai Petrovici. «Wir hoffen, dadurch die Forschung zur synaptischen Plastizität im Nervensystem voranzutreiben», ergänzt Jakob Jordan.
Die neu gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen neue Einblicke in die Funktionsweise von gesunden und erkrankten Gehirnen. Sie können auch den Weg für die Entwicklung intelligenter Maschinen ebnen, die sich besser an die Bedürfnisse ihrer Nutzer anpassen können.