Manuel C. Widmer (Grüne): Die letzte Bastion der Freiheit?
Es sollte selbstverständlich sein, das Rauchen auf Spielplätzen zu verbieten. Bürgerliche wehren sich jedoch gegen eine solche Massnahme. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- An Berner Spielplätzen ist das Rauchen nicht verboten.
- Ein Verbot sollte an solchen Orten aber selbstverständlich sein.
- Dieser Meinung ist der Berner Grossrat Manuel C. Widmer in seinem Gastbeitrag.
Ein Zigarettenstummel enthält nachweislich zirka 7000 Stoffe, nicht wenige davon hochgiftig. Eine Kippe kann nachweislich 1000 Liter Wasser vergiften – oder ein Kind.
Ein Kind, dass im Sandkasten spielend eine Kippe findet und – wie Kinder das so machen – sich diese in den Mund steckt. Glücklicherweise enden solche Vergiftungen selten tödlich, aber jede Vergiftung ist eine zu viel.
Das Problem sind Raucherinnen und Raucher auf Spielplätzen. Vor allem jene, die nach dem Genuss des Glimmstängels den Filter im Sandkasten selbst vergessen, unter dem Schaukelpferd oder zwischen den Holzstreben der Kletterburg.
Das Problem sind jene Eltern, die während der halben Stunde Aufsicht während des «Sandelens» nicht auf die geliebte Zigarette verzichten mögen, denen der Weg zum Aschenbecher dann aber zu weit ist.
Das Problem sind jene Jugendliche, denen die Welt insofern gehört, als dass sie des Nachts gleichzeitig ihren «Ghüderchübel» darstellt und man am Morgen ihre Hinterlassenschaften aus Sand und Holzspänen sieben darf.
Neben den Stummeln darf man aber auch nicht ausser Acht lassen, dass rauchende Erwachsene auf Spielplätzen die kleinen Knöpfe passiv mitrauchen lassen. Auch unter freiem Himmel kann es sein, dass die kleinen Stumpen den Rauch der Zigis der Grossen einatmen (müssen).
Bürgerliche Politikerinnen und Politiker wollen kein Rauchverbot
Rauchfreie Kinderspielplätze sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber nicht. In der Beratung eines Berichts des Regierungsrates zu rauchfreien Kinderspielplätzen hat sich gezeigt: So einfach ist das nicht.
Denn offensichtlich ist das Rauchen auf Spielplätzen eine der letzten grossem Freiheiten im Kanton Bern – und die galt es wohl zu verteidigen.
Bürgerliche Politiker/innen von rechts bis Grünliberalen stellten also ans Mikrofon und geisselten die zunehmende Verbotspolitik, den Gesetzeswald und die immer eingeschränktere Freiheit. Wie wenn das Nichtrauchen auf Spielplätzen der Verlust der letzten grossen Freiheit wäre.
Ausnahmslos versicherten alle, dass ihnen die Kinder am Herzen lägen. Und sie predigten die Selbstverantwortung. Das Verantwortungsbewusstsein jeder einzelnen rauchenden Person müsse reichen, um die Spielplätze sauber zu halten.
Projekt hat Spielplätze auf Zigaretten-Littering geprüft
Schön… nur: Wenn das funktionieren würde, bräuchte es keine Vorstösse, keine Berichte, keine Arbeitsgruppen, keine Hinweistafeln. Allein der Umstand, dass der Bericht der Regierung «Hinweistafeln» auf Spielplätzen aufstellen möchte, beweist, dass ein Problem besteht.
Im September/Oktober 2022 hat «stop2drop» in einem Pilotprojekt insgesamt 42 Kinderspielplätze in 25 Schweizer Gemeinden auf Zigaretten-Littering untersucht. Auf fast allen Spielplätzen (95 Prozent) waren Zigarettenstummel zu finden; durchschnittlich waren es 77 Stummel pro Spielplatz. Der Spitzenreiter «beherbergte» gar 488 (!) Stück.
Bürgerliche nehmen Problem immerhin wahr
Nebst dem unsäglichen «Freiheitskampf für das Recht auf Rauchen auf Kinderspielplätzen» lies ein Votum aus Kreisen der SVP aber aufhorchen. Ein Verbot war zwar auch da kein Thema – aber das Problem des Litterings, des achtlosen Wegwerfens von Abfall oder Zigaretten-Kippen wurde als Problem erkannt.
Richtigerweise wurde festgestellt, dass wohl die Busse für Littering einfach zu tief sei, um Leute davon abzuschrecken, ihre Stummel einfach wegzuwerfen.
Lösung finden zum Wohle der Kinder
Da tut sich eine Türe auf: Wenn wir doch die Spielplätze nicht rauchfrei bekommen, so könnten wirklich empfindliche Bussen vielleicht die Zahl der Stummel im Sandkasten drastisch reduzieren.
Wenn die Vernunft nicht reicht, dann muss übers Portemonnaie gesteuert werden. Wie hoch eine angedrohte Busse sein müsste, um wirklich abzuschrecken, muss noch evaluiert werden.
Es bleibt zu hoffen, dass ein Zusammenspiel von Links und Rechts in Zukunft zu einer Lösung führt, die am Schluss den Kindern auf den Spielplätzen zugutekommt. Denn am Schluss geht es um sie – und ihre Gesundheit.
Zum Autor: Manuel C. Widmer ist Berner Grossrat für die Grüne Freie Liste Stadt Bern. Von Beruf ist er Lehrer und DJ.