Uni Bern: Höhere Preise bei Flügen für den Klimaschutz
Eine Untersuchung der Uni Bern von über 65'000 Flugbuchungen zeigt, dass lediglich vier Prozent der Flüge kompensiert werden.
Forschende der Universität Bern haben in Kooperation mit einer Schweizer Fluggesellschaft erstmals die tatsächliche Bereitschaft von Flugreisenden gemessen, die Emissionen der eigenen Flüge zu kompensieren.
Eine Untersuchung von über 65'000 Buchungen zeigt, dass lediglich vier Prozent der Flüge kompensiert werden. Die Ergebnisse deuten auf eine starke Diskrepanz zwischen Umwelteinstellung und tatsächlichem Umweltverhalten hin.
Der internationale Flugverkehr verursacht jährlich 2,8 Prozent der weltweiten Treibhausgase und ist somit einer der Schlüsselindustrien, in denen schnelle Emissionsreduktionen erreicht werden müssten, um den Klimaschutz voranzubringen.
Tatsächliche Zahlungsbereitschaft gemessen
Neben staatlicher Regulierung setzt die Branche auf freiwilligen Klimaschutz. Viele Airlines ermöglichen ihren Kunden, die Emissionen, die aus ihren Flugreisen resultieren, mit einem höheren Preis zugunsten eines Klimaschutzprojektes freiwillig zu kompensieren.
Ein Forschungsteam der Universität Bern hat nun erstmals die tatsächliche Zahlungsbereitschaft für diese Art von Investition in den Klimaschutz gemessen.
Die Ergebnisse wurden im international renommierten Journal Global Environmental Change veröffentlicht.
Mittlere Zahlungsbereitschaft liegt bei unter einem Franken
In Kooperation mit einer schweizerischen Fluglinie wurden mehr als 65'000 Buchungen analysiert. Grundlage waren hauptsächlich Urlaubsflüge von der Schweiz in das europäische und aussereuropäische Ausland.
Nur bei etwa vier Prozent der Flüge wurde eine Kompensation des CO2-Ausstosses mit einem Aufschlag auf den Ticketpreis vorgenommen. Die mittlere Zahlungsbereitschaft liegt damit unter einem Franken pro Tonne CO2 und somit dramatisch unter den tatsächlichen Kosten, die die Emissionen des Fluges verursachen.
Im Dezember 2021 lag der Preis für eine Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel bei etwa 90 Euro, und damit mehr als 90-mal höher als die mittlere Zahlungsbereitschaft der Passagierinnen und Passagiere.
Es reicht nicht aus, auf freiwilligen Klimaschutz zu setzen
«Diese Ergebnisse zeigen deutlich auf, dass es in keiner Weise ausreicht, auf freiwilligen Klimaschutz zu setzen, um die Klimaziele auch nur annähern zu erreichen», sagt Studien-Mitautor Sebastian Berger vom Institut für Soziologie der Universität Bern.
Aufgrund der generell sehr niedrigen Bereitschaft zur Kompensation spielte die Länge des Fluges, die Kosten der Kompensation, oder die Verwundbarkeit der Region, in die geflogen wurde, keine Rolle – die Bereitschaft, eigene Kosten in Kauf zu nehmen für das Klima, war stets nahe null.
Die Ergebnisse der Studie stellen somit die Eignung von Kundenbefragungen in Frage und mahnen zur Vorsicht hinsichtlich der Wirksamkeit von freiwilligen Kompensationssystemen. In diversen Studien, welche die Flugreisenden lediglich hypothetisch fragten, ob sie bereit wären zu kompensieren deutete sich eine höhere Bereitschaft zur Kompensation an.
Vegetarier kompensieren eher ihre Flüge
Dass manche Menschen bereit sind, zusätzliche Kosten auf sich zu nehmen, um das Klima zu schützen, zeigt eine Nebenuntersuchung. Reisende, die sich für eine vegetarische Speise auf dem Flug entscheiden, kompensieren ihre Flüge mit etwa doppelter Wahrscheinlichkeit.
Ebenso entscheiden Menschen mit Zusatzbuchungen (Gepäck, Priority-Check-In, et cetera) eher für eine Investition in den Klimaschutz.
Klimaschutz ist ein globales öffentliches Gut
«Diese Ergebnisse überraschen nicht wirklich», sind sich die beteiligten Forschenden einig. Klimaschutz gilt als globales öffentliches Gut. «Investitionen in den Klimaschutz werden nur dann getätigt, wenn man sicher sein kann, dass die anderen Menschen auch mitmachen», erklärt Sebastian Berger.
Denn die eigenen Investitionen in den Klimaschutz verpuffen, wenn nicht alle anderen auch mitmachen, es sich also Kooperation beobachten lässt. «Kooperative Lösungen in Bezug auf den Klimaschutz zu schaffen ist die grosse Herausforderung der nächsten Dekade», sagt Francisco Schlöder, Ko-Autor der Studie.
«Hierzu braucht es politische Regeln, neue gesellschaftliche Normen, und kluge Regulierung, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene.» Klimaschutz ist somit keine «Privatsache», sondern eine komplexe Gesellschaftliche Herausforderung, die Engagement von allen Akteuren braucht.