Bericht dokumentiert Leidensgeschichten von Frauen in Hindelbank

Mutmasslich mehr als tausend Frauen sind im vergangenen Jahrhundert in Hindelbank administrativ versorgt worden: Ihr Lebensstil entsprach nicht den gesellschaftlichen Normen.

Dorf (Symbolbild)
Dorf (Symbolbild) - SDA Regional

Wie leidvoll der Alltag für sie war, dokumentiert der am Montag publizierte Bericht «Alltag unter Zwang». Es handelt sich um einen Teilbericht der unabhängigen Expertenkommission (UEK) über administrativ Versorgte.

Unter die Lupe genommen wurden fünf Anstalten, in denen Frauen und Männer eingesperrt wurden. Unter den Institutionen befindet sich das heutige Frauengefängnis Hindelbank, das 1866 als «Armenanstalt für Frauen» eröffnet worden war. Ab 1911 beherbergte das Haus auch verurteilte Straftäterinnen.

Aus dem Bericht geht hervor, dass der Alltag der administrativ versorgten Frauen von Machtmissbrauch, schlechten Hygienebedingungen und Sanktionen geprägt war. Wie viele Frauen insgesamt betroffen waren, ist unklar.

«Die vorhandenen Zahlen sind unzuverlässig», wird Kommissionsmitglied Loretta Seglias in der «Berner Zeitung» vom Montag zitiert. Für den Untersuchungszeitraum zwischen 1924 und 1981 gehe man von einer tiefen vierstelligen Anzahl Frauen aus.

Ziel der Massnahme war, dass die Frauen zu sozial und finanziell unauffälligen Mitgliedern der Gesellschaft gemacht werden. Doch das Gegenteil war der Fall: Viele Frauen und Männer hätten die Institutionen traumatisiert wieder verlassen, sagte Seglias.

Strafe für das Opfer

Immer wieder kam es zu sexuellen Misshandlungen. Mehrere Fälle wurden von der Forschungsgruppe dokumentiert. So verging sich ein Wäschereimeister regelmässig an Frauen - ohne Folgen, obwohl der Direktor Kenntnis der Vorwürfe hatte. Dieser verurteilte vielmehr die Frau, die sich bei ihm gemeldet hatte, zu einer dreimonatigen Haftverschärfung wegen Verleumdung.

Der Wäschereimeister wurde viele Jahre später doch noch gerichtlich verurteilt und musste eine Haftstrafe antreten. Der Hindelbank-Direktor schrieb in seinem Jahresbericht trotzdem von einem «angeblichen Delikt».

Katastrophal waren dem Bericht zufolge auch die hygienischen Bedingungen. Die Frauen litten zudem an dem strengen Sanktionsregime, das von Verweisen bis zu Arrest und Nahrungsentzug reichte. Zudem mussten die Frauen fürchten, dass ihnen nach einer Niederkunft das Kind sofort entzogen wurde.

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