Yannick Berner (FDP): Im Schlafwagen zur Wirtschaftskrise
Aus linken Kreisen wird der Ruf nach Lohnerhöhungen laut. Mitten in einer Inflation führt dies jedoch zum Gegenteil und endet in einer Abwärtsspirale.
Das Wichtigste in Kürze
- In Zeiten der Inflation sind Forderungen nach Lohnerhöhungen verlockend.
- Wenn Unternehmen höhere Löhne zahlen müssen, geraten sie in eine teure Abwärtsspirale.
- Ein Gastbeitrag des Aargauer Grossrats Yannick Berner.
Inflation ist ein Begriff, der in letzter Zeit häufiger in den Schlagzeilen auftaucht. Mit steigenden Preisen für Lebensmittel, Treibstoff und andere wichtige Güter fragen sich viele, wie sie mit den steigenden Kosten umgehen sollen. In solchen Zeiten sind Forderungen nach Lohnerhöhungen verlockend.
Im August hat der Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse Lohnerhöhungen für 2024 von 3,5 bis 4,5 Prozent gefordert. Bereits Anfang Sommer forderte der Schweizerische Gewerkschaftsbund gar 5 Prozent mehr Lohn, und zwar für alle. Doch was passiert, wenn wir diese Strategie langfristig verfolgen?
Die Kosten steigen – dennoch sind Lohnerhöhungen falsch
Zunächst einmal sollten wir verstehen, wie Inflation und Lohnerhöhungen miteinander verknüpft sind. Inflation tritt auf, wenn die allgemeinen Preisniveaus steigen, was bedeutet, dass für das gleiche Geld weniger Waren und Dienstleistungen gekauft werden können.
Wenn Arbeitgeber Lohnerhöhungen gewähren, um diesen Kaufkraftverlust auszugleichen, könnte dies kurzfristig sinnvoll erscheinen. Die Arbeitnehmer können weiterhin ihren Lebensstandard aufrechterhalten, und die Wirtschaft bleibt stabil, oder?
Die Täuschung der kurzfristigen Stabilität
Hier liegt die Täuschung: Lohnerhöhungen zur Kompensation von Inflation bieten nur eine scheinbare Stabilität. Tatsächlich können sie langfristig zu wirtschaftlichen Problemen führen. Wenn Unternehmen gezwungen sind, kontinuierlich höhere Löhne zu zahlen, um die steigenden Lebenshaltungskosten auszugleichen, geraten sie in eine kostspielige Abwärtsspirale. Die Inflation wird weiter angeheizt, da die Preise für Waren und Dienstleistungen steigen, um die gestiegenen Lohnkosten auszugleichen.
Sieht man dabei auch noch der Realität ins Auge – das Konjunkturbarometer sinkt zum dritten Mal und die Wirtschaftslage sieht düster aus –, sind die Lohnforderungen sogar gefährlich.
Eine besonders kreative Idee wirft die SP in die Waagschale: In Hinblick auf die Wahlen im Herbst erklärt sie die Arbeitszeitreduktion bei gleichbleibendem Lohn zu einer prioritären Massnahme. Dass man aber als Arbeitgeber nicht einfach beliebig hohe Löhne bezahlen kann, merkten die Sozialdemokraten vor ein paar Monaten selbst: Parallel zum Abstimmungskampf zur Einführung eines staatlichen Mindestlohns von 4000 Franken pro Monat in der Stadt Zürich, wofür sich auch die SP höchst engagiert einsetzte, suchte die Partei mittels Stelleninserat temporäre Mitarbeitende. Angebotener Bruttolohn: gerade mal 2600 Franken pro Monat.
Schwächelnde Wirtschaft und die Mär der Produktivitätssteigerung
Dieses Frohlocken für massiv mehr Lohn zeigt: Wesentliche politische Kräfte sitzen immer noch im Schlafwagen. Argumentiert werden diese unbescheidenen Forderungen von Links nämlich nicht etwa primär mit der Teuerung, sondern mit der Begründung, die Wirtschaft laufe auf Hochtouren, die Produktivität steige, den Firmen ginge es gut, und das Geld sowie der Spielraum seien vorhanden.
Die aktuellen Wirtschaftsdaten zeichnen jedoch ein anderes Bild. Die Schweiz leidet unter Produktivitätsverlust, und über der Schweizer Exportindustrie ziehen dunkle Wolken auf.
Jüngst hat sich der jahrelange Fortschritt in der Produktivität ins Gegenteil verkehrt. Rechnet man Teilzeitstellen zusammen, um den Effekt der tieferen Beschäftigungsgrade zu eliminieren, ist die Beschäftigung in den letzten fünf Jahren um 7,8 Prozent gewachsen. Das reale Volkseinkommen dagegen konnte nur um 7,3 Prozent zulegen. De facto war das erwirtschaftete Einkommen pro vollzeitäquivalente Arbeitskraft rückläufig. In den letzten zwölf Monaten ist die vollzeitäquivalente Beschäftigung sogar um 2,2 Prozent gewachsen, das Volkseinkommen aber nur 0,5 Prozent. Unsere Produktivität hat also stark abgenommen.
Wohlstand durch Export – doch dieser droht einzubrechen
Wohlstand in der Schweiz wird erarbeitet, indem wir mehr exportieren als importieren. Doch genau dieser Teil – der Export – droht zu stagnieren. Während also gerade die wichtigsten Exportmärkte zusammenbrechen und wir bezüglich Produktivität im Rückwärtsgang fahren, zelebriert man in linken und Gewerkschaftskreisen eine locker-flockige Unbeschwertheit
Die völlig realitätsfremden Lohnvorstellungen zeigen: Man sitzt im Schlafwagen. Heute braucht es dringend ein Umdenken. Unser Werkplatz braucht jetzt einen Revitalisierungsschub. Es braucht mehr Freiheiten und Flexibilität, damit die Schrauben richtig gestellt werden können – neben Revitalisierungs- vor allem auch Innovationsprogramme. Wer nicht im Schlafwagen sitzt, muss am 22. Oktober liberale, wirtschaftsfreundliche Politikerinnen und Politiker wählen.
Zum Autor: Yannick Berner ist ein Schweizer Betriebswirt und Politiker. Er ist Mitglied des Grossen Rats des Kantons Aargau (FDP).