Marc Rüdisüli (Mitte): Lieber Politdebatten als trockene Staatskunde
Im Kanton Waadt wurden Politdebatten in Schulen vor Wahlen verboten. Dies ist ein fatales Zeichen und nicht demokratisch zielführend. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Kanton Waadt dürfen an Schulen vor Wahlen keine Politdebatten mehr durchgeführt werden.
- Dabei sind diese deutlich förderlicher als staubtrockener Staatskundeunterricht.
- Dieser Meinung ist der Präsident der Jungen Mitte, Marc Rüdisüli, in seinem Gastbeitrag.
Im Gespräch mit Gleichaltrigen höre ich immer wieder, dass man in der Schule nicht viel über Schweizer Politik und unsere Direkte Demokratie mitbekommt. Viele halten es aber für wichtig und hätten sich gerne mit der Politik und den aktuellen Ereignissen in der Schule intensiver auseinandergesetzt.
Politische Bildung spielt im schulischen Alltag eine marginale Rolle, obwohl eine deutliche Mehrheit der Schweizer Bevölkerung dies als wichtigen Faktor für eine stabile Demokratie sieht. Deshalb ist der Entscheid von Bildungsdirektor Frédéric Borloz (FDP) aus dem Kanton Waadt, Politdebatten an Schulen vor Wahlen zu verbieten, der völlig falsche Weg. Es braucht mehr Politische Bildung – nicht weniger!
Debatten machen die Politik lebendiger für Kinder
Aber bloss den Staatskundeunterricht auszubauen würde wenig bis nichts bringen. Heute werden im Rahmen der Staatskunde die Bundesräte und ihre Departemente vorgestellt, der Gesetzgebungsprozess wird aufgezeigt und der Unterschied zwischen Majorz- und Proporzwahlen erklärt. That's it. Und das ist zu wenig.
Das Fach wird in den Schulen also meist in Form von Institutionenkunde vermittelt – was wenig attraktiv daherkommt und zum verstaubten Image der Staatskunde beiträgt.
Die Politik muss lebendig und mit Emotionen den Schülerinnen und Schülern nähergebracht werden. Aktuelle Themen diskutieren, mit allen Argumenten pro und contra konfrontiert werden, sich eine Meinung bilden. Faire Politdebatten in den Schulen sind förderlicher als staubtrockener Staatskundeunterricht.
Alle jungen Menschen müssen erreicht werden
Ich durfte vor zwei Wochen bereits an der Kantonsschule Wil eine Debatte besuchen. Es waren alle grossen Parteien vertreten, die Fragen fair und fordernd und die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, uns Fragen zu stellen, rege genutzt. Weshalb sollte man das verbieten?
Der Bund fördert Projekte und Vereine, die sich für das politische Engagement der jungen Menschen einsetzen. Eine Jugendsession zum Beispiel wäre ohne die staatliche Unterstützung wohl nicht möglich. Diese Projekte sind wichtig. Sie holen aber insbesondere junge Menschen ab, die sowieso schon eine intrinsische Motivation haben, mehr über die Politik zu erfahren und sich zu engagieren.
Wollen wir als Gesellschaft aber möglichst viele junge Menschen erreichen, muss die Politik dorthin, wo sie sind. Und das ist nun mal in diesem Alter die Schule.
Organisationen profitieren nicht von Finanzhilfen
Das Problem: Heute können Verbände, die zur politischen Bildung der jungen Generation in unserem Land beitragen, indem sie Diskussionsrunden und Debatten in zahlreichen Schulen organisieren und leiten, nicht von diesen Finanzhilfen profitieren. Sie sind für ausserschulische Arbeiten reserviert.
Dabei können durch die politische Bildung, die direkt in der Schule stattfindet, viel mehr junge Menschen für die aktuellen politischen Herausforderungen sensibilisiert werden. Die politische Bildung der Gesellschaft ist in einer direkten Demokratie besonders wichtig, und diese Verbände leisten einen ebenso wichtigen Beitrag wie die Organisationen, die heute vom Bund für die Kinder- und Jugendförderung unterstützt werden.
Demokratie muss mit Bildung gestärkt werden
Hier gilt es anzusetzen. Ein entsprechender Vorstoss ist im Nationalrat hängig. Doch der Bundesrat stellt sich quer. Das ist unverständlich, gerade in einer Zeit, in der die Demokratie weltweit auf dem Rückmarsch ist, müssen wir sie umso mehr stärken und Wege finden, noch mehr junge Menschen für politische Diskussionen und Partizipation zu begeistern.
Starten wir eine politische Bildungsoffensive in den Schulen, statt Debatten zu verbieten.
Zum Autor: Marc Rüdisüli ist der Präsident von Die Junge Mitte Schweiz. Ausserdem ist er Mitglied des Parteipräsidiums der Mitte Schweiz.