Julia Marty: «Heute nehme ich Saison für Saison»

Julia Marty spielte bis vor fünf Jahren in der Nationalmannschaft Eishockey und nahm an Olympiaden teil. Seit drei Jahren spielt sie wieder beim SC Reinach.

Julia Marty
Julia Marty nahm früher mit der Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen teil. - z.V.g.

Nau.ch: Julia Marty, wie lange spielen Sie schon beim SC Reinach?

Julia Marty: Letzte Saison war ich im Sturm, eigentlich bin ich aber gelernte Verteidigerin. Beim SC Reinach bin ich (wieder) seit der Saison 2017/18.

Nau.ch: Erzählen Sie mehr über Ihren Werdegang. Kommen Sie aus einer Hockey-begeisterten Familie? Wann standen Sie erstmals auf Schlittschuhen?

Meine Eltern hatten mit der Sportart gar nichts am Hut. Begonnen habe ich mit etwa acht Jahren. Weil mein älterer Bruder Eishockey spielte, wollten meine Zwillingsschwester und ich es auch ausprobieren und wir sind beide hängen geblieben.

Julia Marty & Stefanie Marty
Olympia Vancouver 2010: Julia Marty (links) und ihre Zwillingsschwester Stefanie Marty. - Keystone

Nau.ch: Wie viel Zeit beansprucht der Verein? Trainieren Sie täglich?

Ich bin nicht mehr Mitglied der Nationalmannschaft und deshalb nimmt das Eishockey heute in meinem Alltag einen kleineren Stellenwert ein als früher. Mit dem Verein haben wir nur zwei Trainings pro Woche, plus ein bis zwei Spiele am Wochenende.

Neben dem Eishockey spiele ich in Wettingen Lacrosse und dort konnte ich auch schon mit der Nationalmannschaft an zwei grossen Turnieren teilnehmen (WM 2017 und EM 2019). Mit diesen zwei Sportarten und weil ich auch sonst sehr sportbegeistert bin, mache ich fast täglich Sport, habe aber heute einen weniger strikten Trainingsplan als früher.

Julia Marty
Voller Einsatz von Julia Marty an der Olypiade 2014 in Sotschi. - Keystone

Nau.ch: Welchem Beruf gehen Sie nebst dem Eishockey nach? Lassen sich Beruf und Eishockey gut miteinander verbinden?

Als Bewegungswissenschafterin bin auch beruflich mit dem Sport verbunden. Ich arbeite in Rheinfelden im ALTIUS Swiss Sportmed Center, wo ich für die Leistungsdiagnostik verantwortlich bin. Meine Ausbildung in Bewegungswissenschaften und Sport habe ich in den USA (Bachelor) und an der ETH (Master) absolviert. Zusätzlich habe ich das Diplom als Sportlehrerin erworben.

Eishockey auf hohem Niveau und volle Berufstätigkeit vertragen sich nicht. In der Schweiz sind deshalb die Bedingungen für Spitzen Fraueneishockey sehr schwierig. Mit zwei Trainings pro Woche, und das am sehr späten Abend, kann man international nicht mithalten.

Julia Marty
Julia Maty spielt heute wieder für den SC Reinach. - BigHIts.ch

Wer sich heute in der Nationalmannschaft engagieren und Fortschritte erzielen will, muss sich selbst um weitere Eiseinheiten und zusätzliche Trainings kümmern. Unter solchen Bedingungen Leistungssport zu betreiben, ist aus meiner Sicht nicht machbar. Dies war auch der Hauptgrund für meinen Rücktritt aus dem Nationalteam vor fünf Jahren.

Nau.ch: Wie gut wird Fraueneishockey aus Ihrer Sicht von der Bevölkerung anerkannt? Müsste sich hier etwas ändern oder ist es gut, so wie es ist?

Seit den olympischen Spielen in Sotschi ist die Beachtung etwas grösser und es ist nicht mehr ganz so ausserordentlich, dass ein Mädchen oder eine Frau Eishockey spielt. Mehr Nachwuchs ist sehr wichtig, damit wir eine breitere Dichte an Spielerinnen haben und so das Niveau steigern können. Da haben wir aber noch einen langen Weg vor uns.

Ein Frauenteam in der obersten Frauenliga hat bei uns heute etwa dieselben Bedingungen wie ein 3.-Liga-Männer-Team und da müsste sich definitiv etwas ändern.

Julia Marty
Julia Marty an der Olympiade in Vancouver 2010. - Keystone

Ein Beispiel: Im Gegensatz zu den Mannen, die mit dem Sport Geld verdienen, berappen die Frauen alles selber – Ausrüstung, Mitgliederbeiträge, Fahrtkosten zu den Auswärtsspielen etc. Dasselbe gilt für die Eistrainingszeiten, die ich schon erwähnt habe.

Oder: Beim SC Reinach ist das Frauenteam seit gut einem Jahr erfolglos auf der Suche nach einem Coach und dabei erhalten wir kaum Unterstützung vom Verein, was bei einem Spitzen-Männerteam undenkbar wäre.

Nau.ch: Sie haben schon an mehreren Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen teilgenommen. Würden Sie dies als die Highlights Ihrer sportlichen Karriere bezeichnen?

Mein Highlight war sicher der Gewinn der Olympia-Bronzemedaille in Sotschi. Unvergessliche bleiben aber auch die vier Jahre Collegehockey in den USA sowie das Jahr als Spielerin in Schweden.

Julia Marty
In Sotschi holte das Team 2014 die Bronzemedaille. - Keystone

Nau.ch: Wie haben Sie bisher die Ausnahmesituation des Coronavirus erlebt?

Das war für mich – wie wahrscheinlich für jede/n – eine sehr spezielle Situation. Beruflich hatte ich Kurzarbeit, weil nur die dringenden Fälle der Patientinnen und Patienten behandelt werden durften. Ich erledigte hauptsächlich administrative Aufgaben von zu Hause aus. Ansonsten machte ich (allein) viel Sport und versuchte, die freie Zeit, die ich plötzlich hatte – auch an den Wochenenden – zu geniessen.

Nau.ch: Was für Ziele haben Sie noch? Wo sehen Sie sich beispielsweise in fünf Jahren?

Eine Frage, die ich so nicht beantworten kann, weil ich nicht mehr langfristig plane. Im Eishockey nehme ich Saison für Saison. Ich werde weiterspielen, solange ich die Freude am Spielen habe und mit den Jungen mithalten kann.

Julia Marty
Beim SC Reinach geniesst es Marty heute, einen weniger strikten Trainingsplan zu haben. - z.V.g.

Zur Person

Julia Marty spielt seit der Saison 2017/18 beim SC Reinach. Die 32-Jährige wohnt in Baden und widmet sich nebst dem Eishockey gerne dem Lacrosse sowie allgemein dem Sport, wobei auch Freunde und Familie – Bruder Alexander (35), Zwillingsschwester Stefanie (32), Mutter Marie-Louise Nussbaumer Marty (66), Vater Josef Marty (72) – nicht zu kurz kommen.

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