Vier St. Galler Ständerats-Kandidatinnen und kaum Frauenthemen
Gleichstellungsfragen haben im Wahlkampf um den vakanten St. Galler Ständeratssitz bislang eine untergeordnete Rolle gespielt.
Im zweiten Wahlgang mit weniger Kandidatinnen könnte sich dies ändern, meint eine Expertin.
Der St. Galler SP-Ständerat Paul Rechsteiner ist nach 36 Jahren in der Politik zurückgetreten, vier Frauen wollen ihn beerben.
Weshalb sie vom «bunten Nationalrat in die abgeschottete Kammer wechseln wollen, wo die Männer immer noch Krawatten tragen», wollte Kaspar Surber, Moderator des Podiums im St. Galler Kulturlokal Palace, als erstes von den vier Kandidatinnen wissen.
Sie mache keine Parteipolitik, sondern wolle das ländliche Gebiet vertreten, sagte Esther Friedli (SVP), die im Nationalrat laut Smartmonitor zu 97,6 Prozent auf Parteilinie abstimmt.
Gie gewerkschaftliche Frauen-Stimme
Für sie sei es wichtig, dass weiterhin die gewerkschaftliche Frauen-Stimme aus dem Kanton St. Gallen im Ständerat vertreten sei, erklärte Barbara Gysi (SP). Sie kämpfe für Lohngleichheit und bessere Renten.
Eine Tradition von FDP-Ständerätinnen fortsetzen will Susanne Vincenz-Stauffacher. Erika Forster (1995 bis 2011) und Karin Keller-Sutter (2011 bis 2018) waren bislang die einzigen beiden St. Galler Frauen im Ständerat.
Bereits vor vier Jahren hatte Vincenz-Stauffacher versucht, den vakanten Sitz zu verteidigen. In beiden Wahlgängen blieb sie hinter Benedikt Würth (Mitte) zurück.
Dieses Mal will die Präsidentin der FDP Frauen «solange im Rennen bleiben, wie es sinnvoll ist».
Nur 26 Prozent Frauen in der kleinen Kammer
In der kleinen Kammer ist die Repräsentation der Frauen mit 26 Prozent (Nationalrat: 42 Prozent) immer noch sehr gering.
Für mehr Frauen und eine Verjüngung steht Franziska Ryser (Grüne), welche ebenfalls schon Erfahrung mit Ständeratswahlen hat.
Mit 21 Jahren war sie für die Jungen Grünen ins St. Galler Stadtparlament gewählt worden. Seit 2019 vertritt sie den Kanton St. Gallen im Nationalrat.
Mit 31 Jahren will die Maschinenbau-Ingenieurin als erste Grüne für St. Gallen in den Ständerat und will sich für mehr Klimaschutz und ökologische Energien einsetzen.
Esther Friedli war schon als Jugendliche in der Politik
Esther Friedli politisierte in ihrer Jugend im Kanton Bern für die Junge CVP. Eigentlich wollte sie nie aktiv in die Politik: 2016 trat sie der SVP bei, um für den St. Galler Regierungsrat zu kandidieren.
Schon damals gab sie sich «bodenständig und bürgernah». Ihre Kandidatur für den Ständerat gab sie am Rande einer Viehschau bekannt. «Ich vertrete nicht nur Frauen», sagte die 45-Jährige beim Palace-Podium.
Neben Ryser und Friedli politisiert auch auch die 56-jährige FDP-Kandidatin in Bern in ihrer ersten Legislatur.
Barbara Gysi hat die grösste politische Erfahrung. 2011 erbte sie nach der historischen Wahl von Paul Rechsteiner in den Ständerat den Sitz des Gewerkschaftspräsidenten.
Eine Majorzwahl, bei der vier Frauen gegeneinander antreten
Jetzt will die 58-jährige Sozialpolitikerin, die von sich sagt, dass sie in Bern gut vernetzt sei, den Sitz der SP verteidigen.
Eine Majorzwahl, bei der vier Frauen gegeneinander antreten, war bislang eher eine Seltenheit.
Dies hat schweizweit für Aufsehen gesorgt. «Die Ausgangslage ist sehr offen», erklärt Jacqueline Schneider, Geschäftsführerin der Frauenzentrale St. Gallen, auf Anfrage von Keystone-SDA.
Das Potential der vier Frauen sei ausgewiesen. Die SVP sei schon mit vielen Männern angetreten und immer wieder gescheitert.
Die Auswahl an Kandidaturen sei äusserst erfreulich
«Wir geben keine Einzelempfehlung ab», erklärte Jacqueline Schneider. Die Auswahl an Kandidaturen präsentierte sich äusserst erfreulich, treten doch vier sehr unterschiedliche Frauen gegeneinander an.
Alle Kandidatinnen seien Mitglied der Frauenzentrale. Im nächsten Mitteilungsblatt erhalten sie deshalb eine «Carte blanche», um sich zu präsentieren.
Jacqueline Schneider ist nicht erstaunt, dass die Gleichstellung noch kaum Thema war im Wahlkampf: «Wenn es zu einem zweiten Wahlgang kommt, wird sich das Thema noch akzentuieren».
Auf jeden Fall würde das Feld der Kandidatinnen kleiner und der Ton im Duell links gegen rechts nicht nur bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) schärfer.
Unterschiede auch beim Musikgeschmack
Zurück zum Wahlpodium ins Kulturlokal Palace: Zu guter Letzt wollte der Moderator wissen, welche Musik die Kandidatinnen nach ihrer Wahl spielen würden.
Die Antworten sprechen für sich: Die Internationale, Elektropop, The Winner Takes It All und Musik vom Jodlerclub Wattwil.