Das Winterthurer Stadtparlament bespricht, ob trotz Parlamentsarbeit Mutterschaftsentschädigung bezahlt wird. Die SP hält die jetzige Situation für unmöglich.
markus steiner sp winterthur
Markus Steiner, Stadtparlamentarierer und Co-Präsident der SP Winterthur. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Parlamentarierinnen verlieren ihre Mutterschaftsentschädigung wegen Parlamentsarbeit.
  • Bundesbern arbeitet an einer Lösung. Wann diese kommen soll, ist aber noch nicht klar.
  • Parlamentarierinnen in Winterthur geht das zu langsam. Sie fordern eine Übergangslösung.
Ad

Heute verliert eine Parlamentarierin ihre Mutterschaftsentschädigung für ihre hauptberufliche Tätigkeit, sobald sie an einer Parlamentssitzung teilnimmt. Dass bei der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Parlamentsarbeit Nachholbedarf besteht, hat auch Bundesbern erkannt. Erst am vergangenen Donnerstag haben sich Stände- und Nationalrat darauf geeinigt, dass die Entschädigung trotz Parlamentsarbeit kommen wird. Wegen einer kleinen Differenz geht das Geschäft aber nochmals zurück in den Ständerat.

Im Winterthurer Stadtparlament geht das einigen zu langsam. Am Montag wird deshalb ein Antrag zur Mutterschaftsentschädigung trotz Parlamentsarbeit behandelt. Wird dieser angenommen, würde ab 2024 auch dann eine Entschädigung gezahlt, wenn eine Parlamentarierin an Abstimmungen oder Sitzungen teilnimmt. Angedacht ist eine Übergangslösung, bis ein Entscheid auf nationaler Ebene in Kraft tritt.

Nau.ch hat vor der Sitzung mit Stadtparlamentarier Markus Steiner von der SP gesprochen. Die jetzige Regelung sei «nicht nur eine unmögliche Situation für Parlamentarierinnen, sondern auch für unser Milizsystem.»

Nau.ch: Warum braucht es eine Regelung zur Mutterschaftsentschädigung trotz Teilnahme an Parlamentssitzungen?

Markus Steiner: Für Parlamentarierinnen in der Schweiz gilt: Babypause gleich Politikpause. Nehmen sie während ihres Mutterschaftsurlaubs an nur einer Parlamentssitzung teil, verlieren sie ihre ganze Mutterschaftsentschädigung.

Das ist stossend und bringt die frischgebackene Mutter in eine unmögliche Situation. Verzichtet sie auf die Ausübung ihres Amtes, geht ihre Stimme verloren. Nimmt sie ihr Amt in den ersten Wochen nach der Geburt ihres Kindes wahr, verliert sie ihren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung. Das ist nicht nur eine unmögliche Situation für Parlamentarierinnen, sondern auch für unser Milizsystem.

Nau.ch: Das Bundesgericht stützte einen Entscheid der Ausgleichskasse, einer Nationalrätin die Entschädigung zu streichen. Das Ausüben eines Parlamentsmandats sei eine Arbeitsleistung, so die Begründung. Was sagen Sie dazu?

Markus Steiner: Wir erachten diese Regelung als unzeitgemäss. 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts sollte das Recht von jungen Müttern, ihre parlamentarischen Mandate auszuüben, eine Selbstverständlichkeit sein. Und nicht ein Anliegen, für das Politikerinnen auf politischer und auf juristischer Ebene kämpfen müssen. Schliesslich geht es um gleichberechtigte Teilnahme am politischen Leben.

Nau.ch: Wäre es nicht sinnvoller, auf eine Regelung aus Bern zu warten, statt eine eigene Übergangslösung zu suchen?

Markus Steiner: Mit dieser Regelung wollen wir gemeinsam mit anderen Städten auch die nationale Lösung beeinflussen und aufzeigen, dass diese Ungleichbehandlung ein Problem in den städtischen Parlamenten darstellt. Dabei zeigen wir auch einen konkreten Lösungsweg auf. Wenn der Bund jetzt nachzieht, schneller übrigens als ursprünglich gedacht, sind wir natürlich erfreut über diese Entwicklung.

Nau.ch: Wie sähe aus Ihrer Sicht eine ideale Lösung auf Bundesebene aus?

Markus Steiner: Die geplante Änderung des Erwerbsersatzgesetzes, die aktuell im Stände- und Nationalrat angedacht ist, wäre sicherlich der korrekte Weg für eine übergeordnete Regelung.

Nau.ch: Wann denken Sie, wird Bern sich dem Thema annehmen?

Markus Steiner: Früher als gedacht, ist es aktuell Thema im Nationalrat und geht nochmals zurück in den Ständerat. Bis die Regelung auf nationaler Ebene steht, dauert es aber noch. In der Zwischenzeit sorgt unsere kommunale Regelung für eine Beseitigung dieser längst überfälligen Ungerechtigkeit.

Zur Person

Markus Steiner ist Stadtparlamentarierer und Co-Präsident der SP Winterthur. Beruflich ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Zu seinen Hobbys zählt er das Gitarrenspielen, Velofahren. Zudem ist er Fan des FC Winterthur.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

FC WinterthurBundesgerichtNationalratStänderatMutterSP