Stadtgrün-Komitee: «Leugnung des Klimawandels ist lächerlich»
Am 3. September 2023 entscheidet Zürich über die «Stadtgrün»-Initiative. Durch eine stärkere Begrünung der Stadt soll dem Klimawandel entgegengewirkt werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Massnahmen zur Hitzereduzierung in Zürich: Dies verlangt die «Stadtgrün»-Initiative.
- Diese fordert eine stärkere Begrünung Zürichs.
- Beni Schwarzenbach, Präsident des Vereins «Stadtgrün», ordnet ein.
Zürich soll für die Herausforderungen des Klimawandels fit gemacht werden. Deshalb wurde der Verein «Stadtgrün» ins Leben gerufen und eine Volksinitiative lanciert. Um auch Privatpersonen an den Begrünungen teilhaben zu lassen, soll die Umsetzung möglichst unbürokratisch erfolgen. So heisst es auf der Webseite des Initiativ-Komitees, dass «positive Anreize statt neue Gesetze» geschaffen werden sollen.
Konkret wird der Stadt der Auftrag für mehr Stadtbegrünung gegeben. Ausserdem soll ein Kompetenzzentrum geschaffen werden, damit die gesetzten Ziele wirklich umgesetzt werden. Ein Prozent der jährlichen Steuereinnahmen der Stadt Zürich sollen zur Finanzierung des Vorhabens eingesetzt werden.
Doch der Stadtrat erklärte die Volksinitiative für teilungültig: Grund dafür ist der gewollte jährlichen Steuerbetrag für die Finanzierung, sowie der Eingriff in die Organisation der Stadtverwaltung. Er stimmte dem Anliegen der stärkeren Begrünung aber zu und erarbeitete einen direkten, sowie indirekten Gegenvorschlag. Dadurch würden insgesamt 130 Millionen Franken zur Hitzeminderung eingesetzt werden.
Das Initiativ-Komitee will die Initiative trotzdem nicht zurückziehen. Der Gegenvorschlag sei zu bürokratisch, ignoriere Flächen und Gebäude von Privatpersonen und der vorgeschlagene Betrag von 130 Millionen Franken sei unzureichend. Beni Schwarzenbach, Präsident des Vereins «Stadtgrün» erläutert uns im Interview, weshalb es für ihn die Volksinitiative braucht.
Nau.ch: Wieso braucht Zürich deutlich mehr Begrünung?
Beni Schwarzenbach: Urbane Räume sind in mehrfacher Hinsicht herausgefordert. Einerseits können Sie während der Sommerhitze nochmals sieben bis acht Prozent höhere Lufttemperaturen erreichen als das Umland. Andererseits weisen Sie eine höhere Luftbelastung auf.
Beide Faktoren zusammen führen regelmässig zu einer Übersterblichkeit in der Bevölkerung, die mit der Covid-Pandemie vergleichbar ist. Der Klimawandel führt bereits heute zu einer starken Zunahme von Hitzetagen und Tropennächten.
Es geht also nicht nur um eine bessere Lebensqualität für die Stadtbevölkerung, sondern auch um Gesundheitsschutz. Stärkere Begrünungen reduzieren Hitzeinseleffekte, verbessern die Luftqualität, reduzieren Lärm und schaffen Lebensräume für Tiere und Pflanzen.
Darüber hinaus verbessern Fassaden- und Dachbegrünungen die Energiebilanz von Gebäuden, indem sie im Winter besser isolieren und im Sommer das Mauerwerk kühlen, wodurch weniger Klimatisierungsaufwand nötig ist.
Nau.ch: Die Stadt Zürich hat zwei Gegenvorschläge ausgearbeitet, Sie halten trotzdem an Ihrer Initiative fest. Aus welchen Gründen sind die Gegenvorschläge für Sie nicht ausreichend?
Beni Schwarzenbach: Wir freuen uns, dass die Stadt Zürich den Handlungsbedarf dank unserer Initiative endlich anerkennt. Der Gegenvorschlag des Gemeinderates überzeugt aber gleich auf mehreren Ebenen nicht.
Einerseits ignoriert er circa zwei Drittel der Flächen und Gebäude in der Stadt, nämlich diejenigen der Privaten. Für sie sind kaum Mittel vorgesehen. Ohne ausreichende Involvierung der privaten Bauherren ist eine flächendeckende Verbesserung von vornherein aber praktisch ausgeschlossen.
Ausserdem sieht der Gegenvorschlag die Schaffung einer neuen Fachstelle «Stadtgrün» vor. Dabei gibt es bereits das Amt «Grünstadt Zürich». Das Problem des Kompetenzgerangels zwischen den Ämtern – namentlich «Grünstadt Zürich» und dem Tief- sowie dem Hochbauamt – wird so nicht gelöst.
Letztere beiden genannten Ämter sind Verhinderer in diesem wichtigen Thema. Hier braucht es ein Machtwort des Stadtrates, damit die Prioritäten künftig bei der stärkeren Begrünung liegen.
Auch die vom Gemeinderat vorgeschlagenen 130 Millionen Franken werden nicht reichen, um eine flächendeckende Wirkung zu erzielen. Durch den Gegenvorschlag bilden sie aber die Obergrenze der einsetzbaren Mittel.
In einer externen Stiftung wären diese Mittel dagegen ein Katalysator, der zusätzliche Budgets von Privaten freisetzen würde. Es könnte damit ungleich mehr erreicht werden.
Die Auflösung des bestehenden Machtgefälles zwischen Behörden und Privaten ist wichtig, um bürokratische Hürden abzubauen, die Private heute zu oft nicht überspringen können.
So könnte Zürich nach Annahme der Initiative aussehen
Nau.ch: Wie können diese bürokratischen Hürden abgebaut werden?
Beni Schwarzenbach: Es braucht einen niederschwelligen Zugang zu Beratung und Projektunterstützung, um das ganze Potenzial freizusetzen. In einem externen Kompetenz- und Vernetzungszentrum, wie es die Initiative fordert, wären die verschiedenen Akteure gleichberechtigt, also Bauherren, Architekten, Forschungs- und Bildungseinrichtungen und eben auch die Behörden.
Ausserdem plant die Stadt 20 neue Vollzeitstellen für das Thema. Wir vom Initiativ-Komitee sind klar der Ansicht, dass die dafür nötigen Mittel in Begrünungsprojekte statt in Personalkosten fliessen sollten.
Mehr Verwaltungsbeamte definieren mehr Anforderungen und werden primär damit beschäftigt sein, zu überwachen, dass private Bauherren diese Anforderungen einhalten.
Nau.ch: Der Stadtrat hat die Initiative für teilungültig erklärt – es sei nicht möglich ein Prozent des Steuerertrags einzusetzen und darum drohe am Ende eine Stiftung ohne Geld. Wieso widersprechen Sie der Aussage des Stadtrats?
Beni Schwarzenbach: Die Teilungültigkeitserklärung betreffend des Budgets ist ein politischer Entscheid, kein juristischer. Es gibt weder ein Gesetz noch einen Präzedenzfall, der unseren Vorschlag verbieten würde. Um das wichtige Thema Stadtgrün aber nicht weiter zu verzögern, haben wir auf die Beschreitung des Rechtsweges verzichtet.
Es ist richtig: Die Initiative steht nun ohne konkrete Budgetmittel da. Wir sehen diesen Punkt aber gelassen, denn erstens bleibt der Auftrag bestehen, die Stiftung Stadtgrün zu gründen, womit implizit der Auftrag inkludiert ist, sie zu befähigen, ihren Auftrag wahrzunehmen.
Der Gemeinderat müsste bei Annahme der Initiative also eine entsprechende Finanzierung ausarbeiten. Mit den 130 Millionen Franken aus dem Gegenvorschlag gibt es ja bereits eine Richtgrösse.
Nau.ch: Die SVP bezeichnet die Initiative als «Klimawahn» und unnötig wegen «ein paar Tagen, an denen es etwas wärmer wird». Wie ordnen Sie diese Aussagen ein?
Beni Schwarzenbach: Die Leugnung des Klimawandels und ihrer potenziell schädlichen Auswirkungen, besonders auf urbane Räume, ist schlicht lächerlich. Die SVP hat sich bei diesem Thema vollends disqualifiziert. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen.
Nau.ch: Auf den von Ihnen publizierten Visualisierungen ist oft zu sehen, dass Parkplätze und Autospuren durch Büsche, Bäume oder andere Grünflächen ersetzt werden. Würde die Annahme ebenfalls eine Einschränkung des Autoverkehrs zur Folge haben?
Beni Schwarzenbach: Unsere Initiative sagt nicht, wo was gemacht werden muss. Sie ebnet lediglich den Weg für die Planung und Umsetzung von privaten und öffentlichen Projekten, deren Eignung und Ausgestaltung im Einzelfall durch die involvierten Bauherren, Architekten und Behördenvertreter festgelegt werden.
Wir wünschen uns einen Fokus auf Gebäudebegrünungen und die bessere Gestaltung von öffentlichen Räumen. Ob ein Immobilienbesitzer im Einzelfall lieber einen Baum pflanzen will, statt einen Parkplatz zu bauen, ist weder unsere Vorgabe noch unsere Entscheidung. Wir hätten aber sicher nichts dagegen.
Zur Person
Beni Schwarzenbach ist als Gründungsmitglied der Grünliberalen und alt-Kantonsrat seit 15 Jahren politisch aktiv in der Stadt und im Kanton Zürich. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.
So geht es weiter
Das letzte Wort hat das Volk: Am 3. September 2023 wird in Zürich über die Initiative, sowie die beiden Gegenvorschläge abgestimmt.