Mit 68 zu 44 Stimmen hat der Zürcher Gemeinderat entschieden, die Volksinitiative «Tschüss Genderstern» an der Urne abzulehnen.
Genderstern
Das Ja-Komitte der «Tschüss Genderstern»-Initiative gibt an, dass «Gendersprache und insbesondere der Genderstern die Sprache schwerfällig und unverständlich» machen. (Symbolbild) - keystone

Die Volksinitiative «Tschüss Genderstern» hat am Mittwochabend im Zürcher Gemeinderat zu wenige Unterstützer*innen gefunden: Das 125 Mitglieder umfassende Gremium empfiehlt den Stimmberechtigen mit 68 zu 44 Stimmen deren Ablehnung an der Urne.

Die Initiative aus den Reihen der SVP verlangt konkret eine Änderung der Gemeindeordnung: Die städtischen Behörden sollen eine klare, verständliche und lesbare Sprache verwenden und auf die Verwendung von Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter verzichten.

Anpassungen im Reglement führten zu sprachlichen Änderungen

Die Stadt Zürich hatte ihr seit 1994 bestehendes Reglement über die sprachliche Gleichstellung im Jahr 2022 aktualisiert. Dabei wurde das zuvor erlaubte Binnen-I in den «MitarbeiterInnen» wieder gestrichen. Dafür darf seither bei Bedarf entweder «Mitarbeitende» oder «Mitarbeiter*innen» verwendet werden.

Texte mit Genderstern seien für Personen mit Migrationshintergrund, die Deutsch als Fremdsprache lernen, schwer verständlich, kritisiert nun das Initiativkomitee. Zudem schaffe dieser Stern auch falsche Formen, sagte Stefan Urech (SVP) in der Ratsdebatte. Er verwies auf Begriffe wie «Bäuer*innen» und «Ärzt*innen». Und er fragte: «Was ist ein Bäuer? Was ein Ärzt?»

Auch die FDP brachte Vorbehalte an: Dieses Sprachdiktat führe zu einer unverständlichen, unklaren Sprache und damit zu Missverständnissen, sagte Yasmine Bourgeois. Zudem mache ein Sternli die Welt nicht besser – es komme auf Haltung und Werte an.

Die Freisinnigen stellten sich aber nicht restlos überzeugt hinter die «Tschüss Genderstern»-Initiative: «Wir wollen weder ein Verbot noch einen Zwang.» Ein entsprechender Antrag erschien aber im Rat chancenlos, weshalb die FDP doch die SVP-Initiative unterstützte.

Es werden «Anwendungsschwierigkeiten» befürchtet

Der Zürcher Stadtrat sprach sich klar gegen die Initiative aus. Er wies auf «relative Anwendungsschwierigkeiten bei der Umsetzung» hin. Denn als Sonderzeichen, die innerhalb eines Wortes verboten sein sollen, gelte nicht nur ein (Gender-)Stern, sondern auch Binde- oder Trennstriche oder Diakritika wie «ï», «ç» oder «ž».

Es seien seitens Bevölkerung und Mitarbeitenden auch nur wenige negative Rückmeldungen zum revidierten Reglement eingegangen, schrieb er in seinem Antrag weiter. Und es sei kein Fall bekannt, bei dem ein Text wegen eines «*» nicht korrekt verstanden worden sei.

Mit dem bewussten Erlauben des Gendersterns zeige die Verwaltung, «dass sie non-binäre und trans Menschen wahrnimmt und respektiert», sagte Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP). Das Reglement gelte nur für die behördliche Kommunikation. Die Zürcher Bevölkerung, die Unternehmen oder die gesprochene Sprache seien davon nicht betroffen.

Die Mehrheit des Gemeinderates sah es ähnlich wie der Stadtrat. Die Sprache soll alle inkludieren, sagte Urs Riklin (Grüne). Eine Sprache, die alle einschliesse, schade niemandem, ergänzte Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne).

«Kulturkampf» in der Sprache

Dass ein Kulturkampf um den kleinen Stern geführt werde, verstand auch die GLP mit ihrer «progressiven Vorstellung der Gesellschaft» nicht, wie Ann-Catherine Nabholz sagte. Die Sprache wandle sich, das «Fräulein» habe doch auch problemlos überwunden werden können.

Dass «typografische Zeichen für eine trans-inklusive Sprache längst im Alltag angekommen sind», hielt auch Corine Mauch fest. Sie zählte etwa Stelleninserate und Werbung auf. «Sprache ist etwas Lebendiges, sie entwickelt sich mit unserer Gesellschaft weiter.»

Für die Initiative sprachen sich nach einer rund anderthalbstündigen Debatte in der Schlussabstimmung die Fraktionen von FDP, SVP und Mitte/EVP aus. Jene von SP, Grüne, GLP und AL lehnten sie ab. Der Abstimmungstermin ist noch nicht bekannt.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

VolksinitiativeGleichstellungCorine MauchGrüneGLPSVPEVPFDPSP