Zürich: Archäologen legen Gräber auf Grossmünsterplatz frei
Bei Werkleitungssanierungen auf dem Grossmünsterplatz wurden 84 Gräber entdeckt. Die Ausgrabungen liefern Einblicke in den historischen Friedhof von Zürich.
Wie die Stadt Zürich berichtet, begleitet die Stadtarchäologie regelmässig bauliche Eingriffe mit Ausgrabungen und Bauuntersuchungen, um das historische Kulturgut im Boden und an Gebäuden in Zürich zu schützen. Im Rahmen der laufenden Werkleitungssanierungen im Zürcher Ober- und Niederdorf wurden auf dem Grossmünsterplatz neue Gas- und Wasserleitungen verlegt.
Wie von der Stadtarchäologie erwartet, verliefen die Arbeiten durch den ehemaligen Grossmünster-Friedhof und zudem in bisher ungestörtem Boden. Der Friedhof wurde vom Mittelalter bis 1786 belegt. Die Stadtarchäologie konnte im September und Oktober 2024 im 40 Meter langen, parallel zur Südwestfassade des Grossmünsters verlaufenden Leitungsgraben die Überreste von insgesamt 84 bestatteten Personen bergen und dokumentieren.
Aufschluss zur Ausdehnung und Belegung des Friedhofes
Der Grossmünster-Friedhof teilte sich auf in den «Oberen Kirchhof» (Zwingliplatz) und den «Unteren Kirchhof» (Grossmünsterplatz). Auf beiden Höfen sind Bestattungen archäologisch nachgewiesen. Aussergewöhnlich war vor allem das Vorkommen von Ost-West sowie West-Ost ausgerichteten Skeletten.
Traditionell wurden die Verstorbenen mit dem Kopf im Westen mit Blick gegen Osten bestattet. Ebenso fiel die geringe Tiefe der zuoberst liegenden Bestattungen auf: Sie befanden sich nur knapp einen halben Meter unter der aktuellen Pflasterung. Die meisten Verstorbenen waren in gestreckter Rückenlage mit am Körper ausgestreckten oder vor dem Bauch überkreuzten Armen begraben worden.
Einige geborgene Kleidungsverschlüsse aus Draht stammen von Totenhemden. Weiter wurden keine Bestattungsbeigaben gefunden. Die vielen verstreuten menschlichen Knochen zeigen, dass der Friedhof über eine lange Zeit dicht belegt wurde.
Respektvoller Umgang mit den Gräbern
Eine anthropologische Voruntersuchung der Skelette ist für 2025 geplant. Die Stadtarchäologie Zürich sorgt für einen pietätvollen Umgang mit menschlichen Überresten.
Skelette, die wissenschaftlich zu untersuchen sind, werden in einem eigens gesegneten Depot zwischengelagert. Einzelknochen ohne Zusammenhang werden umgehend nach den Ausgrabungen auf dem städtischen Friedhof im Sihlfeld bestattet.
Weitere archäologische Spuren
Südwestlich des Grossmünsters fanden sich in einem anderen Grabenabschnitt unerwartet Lehm- und Mörtelböden eines Gebäudes aus dem Mittelalter. Eine Feuerstelle und eine Abfallgrube bezeugen ebenfalls die frühere Bebauung und Wohnnutzung dieser Freifläche.