Ein Mann aus Eritrea wurde zu Unrecht für schuldig an einer Geiselnahme befunden – das entschied das Obergericht in Zürich.
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Am Zürcher Obergericht wurde ein Eritreer einer Geiselnahme nach einem vorherigen Schuldspruch freigesprochen. Nun erhält er über 100'000 Franken Genugtuung. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein zuvor Verurteilter wurde nun vom Zürcher Obergericht der Geiselnahme freigesprochen.
  • Dafür erhält der beschuldigte Eritreer eine Genugtuung von mehr als 100'000 Franken.
  • Der Prozess gilt als besonders, da er in keiner Verbindung zur Schweiz steht.
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Vier Jahre und vier Monate sass ein Eritreer unschuldig im Gefängnis: Er wurde für eine Geiselnahme im Jahr 2015 als schuldig befunden.

Nun wurde der Mann allerdings vom Zürcher Obergericht freigesprochen. Als Genugtuung erhält der Beschuldigte deshalb 109'410 Franken – das entspricht einem Satz von 70 Franken pro Hafttag.

«Ich sage die Wahrheit, wie immer. Ich bin unschuldig und möchte heute freigesprochen werden. Ich habe wirklich niemandem wehgetan und für niemanden gearbeitet. Es ist so schwer für mich, ich bin wirklich unschuldig», sprach der Freigesprochene vor Gericht, wie der «Tagesanzeiger» berichtet.

Zweifel an Identität des Täters

Das Gericht musste zwei Fragen klären: Gab es tatsächlich eine Geiselnahme im Sudan im April 2015? Und war es der Beschuldigte, der als Dolmetscher zwischen den Entführern und den Opfern fungierte? Das Gericht bejahte die erste, verneinte jedoch die zweite Frage.

Laut ihm seien die beiden Frauen im Sudan sechs bis acht Wochen als Geisel gehalten worden. Während dieser Zeit wurden sie immer wieder misshandelt und letztlich für ein Lösegeld von 6000 US-Dollar freigelassen worden.

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Das Corinthia-Hotel in Khartum: Die Entführung der beiden Frauen fand im Sudan statt. - Unsplash

Das Gericht sieht dies als unbestrittene Tatsache, denn die Opfer würden seit Jahren konsistente Berichte abgeben. Doch herrschen Zweifel an der Identität des Täters: Es konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob dieser tatsächlich an der Geiselnahme beteiligt war und als Dolmetscher fungierte. Das Gericht handelte nach dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten».

Im Zweifel für den Angeklagten

Der Prozess war laut dem «Tagesanzeiger» bemerkenswert: Das Gericht verhandelte einen Fall, der keinen direkten Bezug zur Schweiz hatte. Allerdings hat sich die Schweiz jedoch dem Weltrechtsprinzip verpflichtet, wonach besonders schwere Verbrechen strafrechtlich verfolgt werden müssen.

Zudem gab es einen aussergewöhnlichen Zufall: Eines der Opfer und der mutmassliche Täter begegneten sich in den Räumen des Migrationsamts in Zürich wieder. Beide waren zuvor unabhängig voneinander von Afrika nach Europa geflüchtet.

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