Über Jahrzehnten litt der Physiker Stephen Hawking an einer Krankheit, die ihre Opfer normalerweise innerhalb weniger Jahre tötet. Die Rede ist von Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS.

Im Sommer 2014 erfasste eine Eiswelle die Welt: Bei der «Ice Bucket Challenge» schütteten Promis und Normalsterbliche sich vor laufender Kamera einen Kübel Eiswasser über den Kopf. Ziel waren weder Schock noch Abkühlung, sondern Aufmerksamkeit und Spenden für die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS.

An dieser Krankheit litt auch der kürzlich verstorbene Stephen Hawking. Was ist ALS – und warum konnte der Physiker über Jahrzehnte damit leben, während die meisten anderen Patienten innerhalb weniger Jahre dahingerafft werden.

ALS ist eine Erkrankung der Nervenzellen im Gehirn und im Rückenmark. Langfristig sterben die Zellen ab, die elektrische Impulse vom Gehirn in die Muskeln leiten. Befehle wie «Gehen», «den Arm heben» oder «Sprechen» finden ihren Weg nicht mehr vom Hirn zum Bestimmungsort. Die Folge: Lähmungen, spastische Zuckungen und irgendwann kompletter Kontrollverlust über den eigenen Körper.

Muskeln, das wissen wir, brauchen Training, um stark zu werden. Bleibt die Bewegung aus, schwinden sie. Die Gliedmassen der Betroffenen werden immer dünner. Sie sacken in sich zusammen. Stephen Hawking wog am Ende seines Lebens keine 45 Kilos mehr.

Erst haben Betroffene Mühe, ihre Hände, Arme und Beine zu kontrollieren. Innert kürzester Zeit bringt die Krankheit sie in den Rollstuhl. Sie verlieren die Fähigkeit, aufrecht zu sitzen, selber zu sprechen, zu kauen und zu schlucken. Irgendwann versagt die Muskulatur für die Atmung. Mit medizinischer Hilfe kann die Krankheit verlangsamt werden, Heilung gibt es keine.

Während der Körper zerfällt, bleibt der Geist fit. Die Krankheit hat keinen Einfluss auf das Bewusstsein und die Hirnkapazität. Der gesunde Geist ist gefangen in einem kranken Körper. Hawking sagte einst in einem Interview: «Obwohl ich mich nicht bewegen kann und durch einen Computer sprechen muss, bin ich in meinem Geist frei.»

Nerven sterben ab

Der Körper zerfällt, das Hirn bleibt

Die Rekorde des Stephen Hawking

Die «Ice Bucket Challenge» machte weltweit auf die Krankheit ALS aufmerksam und sammelte Geld für die Forschung. Natürlich machte auch Stephen Hawking mit – oder liess mitmachen.

Die meisten Menschen erliegen der Krankheit innerhalb weniger Jahre nach der Diagnose. Stephen Hawking bekam seine Diagnose als 21-jähriger Student. Damals gaben die Ärzte auch ihm noch maximal zwei Jahre. Doch Hawking lebte. Lebte über Jahrzehnte und revolutionierte die Physik. Mit seinen 76 Jahren stirbt er in einem stattlichen Alter.

Wie konnte er so lange mit ALS leben? Einerseits litt Hawking an einer sehr seltenen Form von ALS, der Juvenilen Amyotrophen Lateralsklerose (JALS). Die meisten Menschen erkranken zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Hawking traf das Schicksal viel früher – für den Krankheitsverlauf ein Glück, denn diese Form von ALS schreitet langsamer voran.

Dennoch überrascht Hawkings Lebensdauer auch die Spezialisten: 2012 nahmen sie eine DNA-Probe, um dem Geheimnis seines langen Lebens endgültig auf den Grund zu kommen: Vergebens.

Vielleicht liegt das Geheimnis seines langen Lebens genau darin: Hawking hat gelebt. Zwar übernahm die Krankheit die Kontrolle über Hawkings Körper, doch er liess nicht zu, dass sie sein Leben bestimmte: Er machte seinen Abschluss, forschte, heiratete, wurde Vater, liess sich scheiden und heiratete erneut.

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Stephen Hawking völlig schwerelos: In einer Trainingsstation mit Null Erdanziehung. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Stephen Hawking litt an der Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS.
  • Die Krankheit greift die Nervenzellen in Hirn und Rückenmark an und verhindert die Übertragung von Bewegungsimpulsen.
  • Die Muskeln sterben ab, Betroffene verlieren jegliche Kontrolle über ihren Körper.
  • Völlig unberührt von der körperlichen Degeneration bleibt nur das Bewusstsein. Betroffene bekommen alles ganz klar mit.
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