«Barfuss oder Lackschuh» - Harald Juhnke wäre 90 geworden

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Deutschland,

Ob «Ein verrücktes Paar» oder «Musik ist Trumpf»: Harald Juhnke war im deutschen Fernsehen einer der ganz Grossen. Aber er hatte auch eine tragische Seite.

Am 10. Juni wäre Harald Juhnke 90 Jahre alt geworden. Foto: Martin Athenstädt
Am 10. Juni wäre Harald Juhnke 90 Jahre alt geworden. Foto: Martin Athenstädt - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Harald Juhnke im Fernsehen, das brachte heute kaum vorstellbare Einschaltquoten, damals, als die Showtreppe noch wichtig war.

In den 70er Jahren sahen 20 Millionen Zuschauer «Ein verrücktes Paar» mit Juhnke und Grit Boettcher. Bei der Show «Musik ist Trumpf» waren es sogar noch mehr.

Beides steckt tief in der Retrokiste des deutschen Fernsehens. Jungen Leuten sagt der Name Harald Juhnke nicht mehr so viel. Dabei war er einmal einer der ganz Grossen.

Seine Karriere dauerte 50 Jahre. Er war Schauspieler, Entertainer und tragischer Trinker, eine Berliner Schnauze mit Smoking, gern mit dem Lied «Barfuss oder Lackschuh» auf den Lippen. Er sah sich selbst als deutsche Antwort auf Frank Sinatra, er war so Berlin wie Currywurst und Gedächtniskirche. Er starb 2005 an Demenz erkrankt mit 75 Jahren in einem Pflegeheim.

Am Pfingstmontag (10. Juni) wäre Juhnke 90 Jahre alt geworden. Die Fernsehsender, die wegen seiner Sucht und der Eskapaden oft mit ihm haderten, würdigen das mit einer ganze Reihe von Dokus, Filmen und Sketchen. Im Ersten wird er von Comedian Kurt Krömer gefeiert.

Zum Geburtstag sprechen viele Weggefährten sehr warm über Juhnke. So wie in einer ZDF-Doku: Für seine Bühnenpartnerin Barbara Schöne war er ein «Paradiesvogel», der auf dem Seil balanciert ist. Brigitte Grothum, seine Kollegin in der Serie «Drei Damen vom Grill», fand, er sei ein «genialer Schauspieler» gewesen. «Wenn Harald auf dem Plakat stand, war das Haus voll», sagt Ex-Theaterchef Jürgen Wölffer. Die Erinnerungen seines Sohns Peer klingen zwiespältig. Für diesen war er auch der Vater, der wenig zu Hause war.

Was Juhnkes Karriere ausmachte: Es gab nicht nur die Shows und Serien, sondern auch Theater und Filme. Erst am Boulevard, später auch mit Feuilleton-Faktor, das war dem Polizistensohn aus dem Berliner Wedding wichtig. Eine seiner Paraderollen war 1996 «Der Hauptmann von Köpenick», den Katharina Thalbach mit ihm am Berliner Maxim-Gorki-Theater inszenierte. Viel gelobt wurde er für die Hans-Fallada-Verfilmung «Der Trinker» (1995), eine Rolle, vor der er auch gewarnt wurde. Die hatte natürlich eine Menge mit ihm selbst zu tun.

Seine Trinkerei machte über viele Jahre nicht nur in der Boulevardpresse Schlagzeilen. Immer wieder hatte er Ärger, weil er Proben oder Auftritte platzen liess. Nur bei sehr wenigen deutschen Stars gab es so viele Erfolge neben so vielen Skandalen, oft genüsslich von den Medien ausgeschlachtet. Juhnke machte mit.

In seiner Biografie sah er sich als «müden Mann, der mit sich privat wenig anzufangen weiss - auf deprimierende Weise wenig anzufangen weiss». Das Klischee vom sensiblen Künstler, der sich nach der Show leer fühlt und trinkt: Bei Juhnke war es Wirklichkeit. Er versuchte, mit Sprüchen seine Sucht zu verarbeiten, machte Werbung für Milchgetränke. Heute fände man das wahrscheinlich nicht mehr witzig. Der Umgang mit Alkohol ist anders geworden.

Im Jahr 2001 lud sein langjähriger Manager Peter Wolf zu einer denkwürdigen Pressekonferenz, nachdem sein Schützling schon eine lange Zwangspause hatte. «Harald Juhnke ist unheilbar krank. Sein Geist ist verwirrt. Eine Heilung ist ausgeschlossen», sagte Wolf mit tränenerstickter Stimme. Juhnke werde nie wieder auf einer Bühne oder vor einer Kamera stehen. «Heute endet die wohl schillerndste Nachkriegskarriere eines deutschen Schauspielers und Entertainers.»

Wie blickt Wolf heute auf Juhnke? Er habe mehr als 100 Künstler vertreten, sagt der Manager. «Er war mit Abstand der angenehmste Mensch. Keiner hat so eine Vielfalt gehabt wie Harald Juhnke.»

Für die Trauerfeier im April 2005 war die Gedächtniskirche zu klein, mehr als 1000 Menschen standen noch rund ums Gebäude, das Fernsehen übertrug live. Begraben ist Juhnke auf dem Waldfriedhof Dahlem. Seine Frau Susanne hat nach seinem Tod ein Buch über die Liebe ihres Lebens geschrieben, darüber, wie sie ihren Mann «an das Vergessen verlor».

Der RBB plant einen Spielfilm über sein Leben. Arbeitstitel: «Der Entertainer». Der Film sei «in guter Entwicklung», so der Sender. Am Drehbuch werde noch gearbeitet. Der Produzent verhandele mit möglichen Partnern. «Wir rechnen mit der Umsetzung im kommenden Jahr.» Erst dann kläre sich die Besetzungsfrage. Als Name für die Hauptrolle kursiert Matthias Matschke, dazu sagt der Sender nichts. Der Film soll in der zweiten Jahreshälfte 2020 im Ersten zu sehen sein.

Wie lange sich die Leute wohl noch an ihn erinnern werden? «Ich kenne Menschen, für die ist Harald Juhnke immer noch ein Nachbar, er ist nur zufällig tot. Aber er ist noch da», sagt sein Biograf Harald Wieser im ZDF. Aber dass Jüngere mit dem Namen Juhnke nichts mehr anfangen können: «Das hätte ihn geärgert!»

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